Schulnoten versus Eignungstests – wie steht die V-Zug AG als einer der grössten Lehrbetriebe zu dieser Frage? Ihr Ausbildungsverantwortlicher bezieht Stellung.
Interview Raphael Biermayr
Die V-Zug AG bietet nicht weniger als elf Berufe an und beschäftigt derzeit die Rekordzahl von 73 Lehrlingen. Ignaz Henzen (54) ist seit insgesamt 16 Jahren in der Ausbildung tätig, seit dreieinhalb Jahren ist er dafür verantwortlich bei der Zuger Traditionsfirma. Für ihn ist klar: Die Schulnoten kommen vor den Resultaten aus Eignungstests. Letztere können aber dennoch hilfreich sein bei der Auswahl von Lehrlingen.
Ignaz Henzen, welche Rolle spielen Eignungstests bei der Rekrutierung bei Ihnen?
Ignaz Henzen: Sie sind ein Bestandteil der Bewerbung, allerdings drittrangig. Zunächst entscheiden wir anhand der Noten, wem wir eine Schnupperlehre anbieten. In gewissen Berufen haben wir einen Mindestnotendurchschnitt in den Hauptfächern festgelegt: bei Informatikern beispielsweise eine 5,0, bei Konstrukteuren eine 4,8. Manchen, die knapp darunter liegen, geben wir eine Chance, wenn wir das Gefühl haben, dass sie gute Praktiker sind.
Verlangen Sie in jedem Fall einen Eignungstest?
Henzen: Ja, immer. Nachdem jemand die Schnupperlehre gemacht hat und wir ihn als geeignet eingestuft haben, muss er sich bewerben. Zur Bewerbung gehört ein Eignungstest, sei es «Basic-Check», «Multi-Check» oder auch «Stellwerk»: Wir sind da offen. Wir überprüfen danach, ob die Ergebnisse mit den Noten korrespondieren. Gibt es grosse Abweichungen, sprechen wir mit dem Lehrer über die Gründe. Aber das ist selten der Fall.
Der Standardtest «Stellwerk» ist obligatorisch und gratis. Weiterführende Eignungstests sind freiwillig und daher kostenpflichtig. Wäre es nicht besser, wenn jeder einen macht, den die Schulen oder beispielsweise die Gewerbeverbände zahlen?
Henzen: Das kann eine Möglichkeit sein, ist aber bis jetzt nicht diskutiert worden. Wie erwähnt, verlangen wir die Beilegung der Testergebnisse. Den von uns ausgewählten Lehrlingen zahlen wir 100 Franken, um rückwirkend ihre Auslagen für den Eignungstest zu decken.
Gibt es grosse Unterschiede zwischen den verschiedenen angebotenen Berufen in der V-Zug, was die Nachfrage anbelangt?
Henzen: Ja. Bei den Kaufleuten werden wir von Bewerbungen überschwemmt, bei den technischen Berufen wie Konstrukteuren oder Informatikern ist die Nachfrage derzeit noch gut. Beim Polymechaniker sieht es hingegen schlecht aus. Dieser Beruf ist hier nicht gesucht. Das ist wohl typisch für den Kanton Zug, der eher kaufmännisch ausgerichtet ist. Das verhält sich beispielsweise im Kanton Zürich anders, wo es viele Kleinbetriebe gibt, weil die Bodenpreise nicht so hoch sind wie hier. Dadurch drohen Ausbildungsplätze verloren zu gehen.
Sie sind seit 16 Jahren im Ausbildungswesen. Wie hat sich die Lehrlingssituation in dieser Zeit im Allgemeinen verändert?
Henzen: In den Anfängen war es viel leichter, eine Stelle zu besetzen. Heute ist es schwieriger, geeignete Lehrlinge zu finden. Das hat zum Teil damit zu tun, dass mehr Zuzüger in der Schweiz sind, die nicht den gleichen schulischen Hintergrund und damit die nötigen Kompetenzen aufweisen.
Coiffeurberufbier. Hairsalons schiessen wie Pilze aus dem Boden. Da überrascht die Tatsache, dass die Betriebe nach Lehrlingen suchen. Lara Zwyssig ist Filialleiterin bei Coiffeur Weibel im Zugerland, mit sechs Lehrlingsplätzen einer der grössten Ausbildungsbetriebe im Kanton. Auf den Sommer hin hat sie noch drei Stellen offen für die dreijährige Ausbildung mit Fähigkeitszeugnis (EFZ). Zwyssig benennt Gründe für die branchenweite Misere: «Die Arbeitszeiten sind streng, und die Entlöhnung ist nicht sehr gut.» Der Mindestlohn gemäss Gesamtarbeitsvertrag liegt derzeit bei 3800 Franken.
Komme dazu, dass nicht alle, die sich bewerben, die Voraussetzungen für den Beruf mitbringen würden. Bei der Auswahl von Lehrlingen berücksichtige sie primär die Noten, sagt Zwyssig. Die Fächer Mensch & Umwelt und Deutsch seien besonders wichtig. «Wir achten auch darauf, ob jemand gestalterisch begabt und damit kreativ ist.» Resultate von Eignungstests schaue sie zwar an, «viel wichtiger ist aber, wie sich jemand im Betrieb macht». Manche Salons böten Schnupperlehren von total bis zu sieben Tagen an. «Zwei Tage kann man sich verstellen – eine Woche nicht», hat Zwyssig festgestellt.