Kunst ist nicht immer nur feinsinniges Tun. Die Vorarbeiten für die Installation «Seesicht», die derzeit am Zugerseeufer über die Bühne gehen, wirken recht rustikal.
Wolfgang holz
Schweres Gerät ist am Vorstadtufer aufgefahren. Seit einigen Tagen manövriert ein Bagger auf einem der beiden Schwimmpontons vor der Quaimauer im Zugersee. Gerade eben ist die Stahlfundierung mit vier Metallrohren ins Wasser gelassen worden. «Diese Stahlröhren stabilisieren in 6 Metern Wassertiefe die vier Holzpfähle, die 20 Meter weit in den Seegrund getrieben worden sind», sagt der Bauführer von der Spezialfirma JMS Risi. Auf diese Stahlfundierung kommt dann noch ein 15 Tonnen schweres Gewicht zu liegen damit die Unterwasserplattform wie eine Eins steht und nicht wackelt.
Das ist wichtig. Denn auf diese Plattform wird dann die geschlossene Stahltreppe mit Fensterscheibe fixiert jene Installation «Seesicht» des renommierten Schweizer Künstlers Roman Signer. Diese soll bekanntlich Besuchern Einblicke der besonderen Art in den Zugersee ermöglichen. Der 77-jährige Ostschweizer hat sich diese «Skulptur» in den Zugersee vor Jahren ausgedacht. Von ihr kann man in einigen Metern Tiefe unter der Wasseroberfläche in einer Art öffentlichem Unterwasserraum nicht nur den Fischen direkt ins Auge blicken. Der Künstler will mit seinem Kunstobjekt, das am Vorstadtquai nun realisiert wird, auch an die historische Katastrophe von 1887 erinnern. Damals stürzte bekanntlich ein grosser Teil des Vorstadtufers in den See, und elf Menschen starben. Nun, pünktlich zum 25-Jahr-Jubiläum des Zuger Kunsthauses, wird die Stahltreppe am 30. Mai eingeweiht. Sie soll zehn Jahre lang am Vorstadtquai für die Öffentlichkeit zu besichtigen sein.
Doch bis es so weit ist, muss noch kräftig angepackt werden. Wobei vor allem Miklos Erismann einen wichtigen und nicht ganz ungefährlichen Job erledigt. Denn der 44-jährige Profitaucher ist gleichzeitig auch noch Schlosser und muss unter Wasser die Treppe ans Fundament fixieren. «Zuvor werde ich mit einer hydraulischen Kettensäge die vier Holzpfähle des Fundaments in 6 Metern Wassertiefe absägen und mit Dübeln an den Stahlblock befestigen», erzählt der Luzerner. Sagts und schält sich auf einer Parkbank am Vorstadtquai aus seiner Taucherausrüstung. Grund: Seine Sauerstoffflasche ist gerade leer. Er wirkt ein bisschen erschöpft. Kein Wunder, denn die Arbeit unter Wasser ist sehr speziell auch für Erismann, der bei der Firma Dsem Unterwasserarbeiten beschäftigt ist. «Normalerweise reicht eine Sauerstoffflasche zwei Stunden, doch beim Arbeiten unter Wasser braucht man manchmal mehr Luft.» Die Wassertemperatur des Zugersees sei viel zu warm, meint der Taucher. Kaum zu glauben. Doch Miklos Erismann trägt unter seinem Neoprenanzug auch noch eine Anorakweste. «Ohne diese wäre es mir zu kalt, mit Weste muss ich halt schwitzen.» Wenn die Stahltreppe demnächst ins Wasser gelassen wird, muss er das Ganze noch miteinander verschweissen. «Ein Vorteil für meine Arbeit ist, dass das Seewasser so klar ist», lobt er.
Die Installation von Roman Signer respektive die Stahltreppe ist bei der Stahl- und Metallbaufirma Gysi AG in Baar angefertigt worden und steht zur Montage bereit. «Wir haben 18 Einzelteile aus 3 Zentimeter dickem Stahl zusammengeschweisst», berichtet Projektleiter Thomas Schnydrig. Die zweieinhalb Meter hohe Kabine, in der man auf einer Fläche von rund 3 Quadratmetern am Treppenende in den See blicken kann, wird rund 5 Meter tief in den See gelassen. Zuvor muss noch die Scheibe aus bruchsicherem Glas in die 17 Tonnen schwere Stahlkonstruktion geklebt werden. Schnydrig: «Die Arbeit an der Stahltreppe, die zwei, drei Monate gedauert hat, ist schon etwas Besonderes gewesen.»
So konkret sich die Bauarbeiten für das Kunstwerk von Roman Signer gestalten, so unklar bleibt nach wie vor dessen Preis. Kunsthaus-Direktor Matthias Haldemann erklärte bereits, dass die «Seesicht» durch die Zuger Kunstgesellschaft mit Unterstützung von privaten Gönnern finanziert werde.
Hinweis
Die Kunstinstallation «Seesicht» wird am 30. Mai am Seeufer der Zuger Vorstadt eingeweiht. Die Feier beginnt um 16 Uhr auf der Rössliwiese.