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Seit früher Kindheit lebt Vanessa Bachmann aus Hagendorn mit einem Hörschaden. Heute ist sie 16 Jahre alt und macht eine Lehre als Hörsystemakustikerin. Wer glaubt, sie sei ein Opfer der Umstände, der irrt.
Julian Koller
Wann sich der Hörschaden von Vanessa Bachmann entwickelt hat, weiss niemand so genau. Klar ist jedenfalls, dass sie seit sie fünf Jahre alt ist, ein Hörgerät trägt – beziehungsweise ein Hörsystem, wie man es im Fachjargon zu nennen pflegt. Heute hat sie sich sichtlich daran gewöhnt, und sie bewältigt ihren Alltag praktisch ohne Einschränkungen, wie sie sagt. Einzig hohe Frequenzen, wie sie bei bestimmten Zischlauten vorkommen, bereiteten ihr Probleme. Der Zungenbrecher vom Papst, der sein Speckbesteck zu spät bestellt hat, ist so ein Beispiel. «Es kommt manchmal vor, dass ich mich mit Freunden unterhalte und an einer Stelle plötzlich ein völlig anderes Wort verstehe, als gemeint war», erzählt Bachmann. Aber das sei zum Glück eher selten und passiere anderen Menschen ja auch ab und zu.
Tatsächlich würde im Gespräch wohl kaum jemand etwas von ihren Hörproblemen ahnen, solange sie ihrem Gegenüber nicht das linke Ohr und die kleine Apparatur zeigt, die sich darin verbirgt. Dies verdanke sie der schnell fortschreitenden Hörgerätetechnologie sowie der Tatsache, dass sie sich von klein auf an ihre Hörhilfen gewöhnen konnte.
Dass Vanessa Bachmann jetzt schon die Lehre zur Hörsystemakustikerin beginnen konnte, ist aber alles andere als selbstverständlich. Denn dieser Berufsweg ist erst seit kurzem als Erstausbildung möglich. Sie gehörte zu den Ersten, die sich für diesen Weg entschieden haben. Ihre eigene Höreinschränkung, die sie von klein auf begleitet, habe bei dieser Entscheidung eine ausschlaggebende Rolle gespielt. «Ohne mein eigenes Hörsystem wäre ich wohl kaum auf die Idee gekommen, mit solchen zu arbeiten», ist Bachmann überzeugt. Sie habe keine Ahnung, wohin ihr Weg sie sonst geführt hätte, fügt sie hinzu. Allerdings mache sie sich deswegen auch nicht allzu viele Gedanken, denn schliesslich fühle sie sich hier am richtigen Platz.
Ihre persönliche Erfahrung mit Hörbeeinträchtigungen sei in dieser Tätigkeit besonders hilfreich, insbesondere beim Kundenkontakt. «Die Herausforderung bei Hörproblemen ist, dass sie subjektiv sind und immer eine individuelle Beratung erfordern. Dadurch, dass ich diese Probleme bis zu einem gewissen Grad aus eigener Erfahrung kenne, kann ich mich besser in den Kunden hineinversetzen und hoffentlich besser verstehen, was er meint.»
Im Allgemeinen mache der Kundenkontakt beim Lehrgang als Hörsystematiker einen Löwenanteil aus. Ausserdem sei die Installation eines Hörsystems, zum Beispiel im Vergleich zu einer Brille, ein Vorgang, der sich sehr viel länger hinziehen könne. Dies weil laufend Anpassungen vorzunehmen seien. Manchmal seien diese für sie auch handwerklicher Natur, wenn es zum Beispiel um die Optimierung der Bequemlichkeit eines Hörsystems in einer bestimmten Ohrmuschel geht. «Wer Hörsystemakustiker werden will, sollte deshalb auch technisches Interesse mitbringen», empfiehlt Vanessa Bachmann.
Um die gehörtechnische Zukunft macht sich Bachmann wenig Sorgen. Beruflich sieht sie viele Perspektiven und könnte sich eines Tages beispielsweise eine Spezialisierung zum Pädakustiker vorstellen, also eine Spezialisierung auf Kinder mit Gehörproblemen, wie sie selbst einmal eines war. Genauso optimistisch ist sie, was ihre eigene Hörbeeinträchtigung angeht: «Sollte mein Gehör in Zukunft schlechter werden, dann sind bis dann auch die Hörsysteme besser», hofft sie.