ZUG: Einsicht in die Probleme des Nahen Ostens

Pascal Weber und Werner van Gent, Nahostkorrespondenten und Buchautoren, waren in der Bibliothek zu Besuch. Angesprochen auf das Zurechtkommen mit der Gewalt, sprach Weber über seinen «Fluchtweg».

Julian Koller
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Werner van Gent (links) und Pascal Weber sprachen über ihre Erfahrungen im Nahen und im Mittleren Osten. (Bild: Stefan Kaiser (Zug, 4. Dezember 2017))

Werner van Gent (links) und Pascal Weber sprachen über ihre Erfahrungen im Nahen und im Mittleren Osten. (Bild: Stefan Kaiser (Zug, 4. Dezember 2017))

Julian Koller

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Bis auf den letzten Platz und darüber hinaus war die Bibliothek Zug am vergangenen Montag mit Politikinteressierten gefüllt, die sich eine detaillierte Sicht auf die Probleme des Nahen Ostens anhören wollten. Und zwar von zwei Menschen, welche die Verhältnisse vor Ort so gut kennen wie wohl nur wenig andere: vom ehemaligen SRF-Nahostkorrespondenten Werner van Gent und vom aktuelle Berichterstatter Pascal Weber. «Wie schön, ein echtes Publikum vor sich zu haben», freute sich van Gent über das zahlreiche Erscheinen. «Sonst ist es immer nur das Objektiv. Manchmal kann es etwas einsam sein vor der Kamera.» Er nahm die Rolle des Fragen stellenden Journalisten ein und überliess das Antworten weitgehend seinem Nachfolger.

Pascal Weber wirkte erstaunlich frisch, wenn man bedachte, dass er erst am Vorabend aus dem Irak zurückgekehrt war. Es sei das erste Mal, dass er ohne Zwischenaufenthalt in einem Land wie Ägypten oder dem Libanon direkt aus einem Krisengebiet in die Schweiz gereist sei. Das sei schon ein starker Kontrast, wie er bildhaft erklärte: «An einem Tag ist man noch im Irak, und an der Strassenecke liegt eine Leiche, die stark verwest ist. Mein Führer vor Ort erinnert sich noch, wie dieser Mann auf ihn geschossen habe. Ich sage Ihnen, Leichengeruch ist etwas vom Schlimmsten. Das kriegt man nicht mehr aus den Kleidern oder aus dem Gedächtnis. Und kurz darauf fliegt man in die Schweiz, fährt mit dem Zug vom Flughafen fort, und die Leute sind frustriert, weil dieser drei Minuten Verspätung hat. Das ist wie eine ganz andere Welt.»

«Viele werden zynisch»

Das Zurechtkommen mit der Alltäglichkeit der Gewalt gehört zu seinem Job. Er erzählte, dass der Schulweg seines vierjährigen Sohnes im Libanon an zwei Schützenpanzern vorbeiführe. Jeder entwickle aber seinen eigenen Umgang mit solchen Zuständen. «Ich merke, dass viele meiner Kollegen zynisch werden», sagte Pascal Weber. «Ich will nicht zynisch sein, ich bleibe lieber etwas naiv. Das ist für mich so etwas wie ein Fluchtweg.»

Aus der Distanz Positives bewirken

Mit Wehmut erinnerte sich Pascal Weber an seine Anfangszeiten als Nahostkorrespondent: Damals sei die Stimmung in der Region hoffnungsvoller gewesen. «Ich vermisse die Zeiten des Arabischen Frühlings», sagte er. «Es ist tragisch, was inzwischen daraus geworden ist.» Zuversicht, dass sich eine neue Bewegung ähnlicher Art bilden könnte, habe er keine. «Perspektiven der jungen Leute, eine Ideologie oder der Glaube an Gerechtigkeit sind häufig dahin. Vor allem dann, wenn es ums nackte Überleben des nächsten Tages geht.»

Aber trotz der scheinbaren Undurchschau- und Unlösbarkeit der Probleme des Nahen Ostens meinte Pascal Weber, dass man als Schweizer aus der Distanz Positives bewirken könne. «Mein grösster Appell wäre zu spenden, und zwar einer Organisation, die sich vor Ort für Bildung einsetzt. Denn in den Flüchtlingslagern gibt es viele Kinder, die jahrelang herumsitzen, ohne zur Schule gehen zu können. Wenn da jemand kommt und sie radikalisieren will, hält derjenige die Kinder sofort links und rechts an den Händen wie der Rattenfänger von Hameln. Um das zu verhindern, braucht es Bildung, Bildung, Bildung.»