Als im Ägerital noch schwarzes Handwerk betrieben wurde

Lautet ein Orts- oder Flurname Choler oder Choller, deutet dies darauf hin, das dort einst Holzkohle hergestellt wurde. Im Kanton Zug war das «schwarze Handwerk» vor allem im Ägerital verbreitet.

Christopher Gilb
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Während es im Entlebuch noch heute einige Köhler gibt, die von der Nachfrage nach Grill-Holzkohle profitieren, gehört das Handwerk im Ägerital der Vergangenheit an. Nur Orts- oder Flurnamen wie Choler oder Choller erinnern noch an den inzwischen längst ausgestorbenen Beruf. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts jedoch waren die einstigen Kohlplätze anhand der leichten, schwarzen Erde deutlich erkennbar und wurden gerne als Gemüsegarten bepflanzt:

Illustration: Janina Noser

Illustration: Janina Noser

Denn einst, da hatte fast jeder Bauer im Ägerital, der als Waldbesitzer Eigenholz besass, auf seinem Hof einen Kohlplatz. Im Wissenbächli in einem Hof nahe der Maisbüelbrücke betrieb beispielsweise Familie Iten neben der Landwirtschaft eine Köhlerei. Sie diente der Verwertung des Holzes auf dem Rossberg. Weitere Köhlerplätze befanden sich am Hüribach, an der Lorze beim Sagenmattli und der Windegg oder im Cholmattli. Die Mehrzahl der Feuerwerker, also Schmiede, Nagler und Schlosser mussten ihre Holzkohlen damals beispielsweise selber brennen.

Ein Platz mit 20 Metern Durchmesser

Zur Zeit als die Kohlenbrennerei im Tal noch florierte, war das Holz zudem nur von geringem Wert. Ein Klafter Tannenholz kostete ein Kron- oder Kreuztaler, was vier «alte Franken» machte. Vor 150 Jahren betrieben die Ägerer einen schwungvollen Handel mit Holzkohle und Kohlries. Die Produkte gingen hauptsächlich an die Nagelschmiede. Die schwarze Kunst war gut bezahlt, musste jedoch verstanden werden. Der Kohlplatz, eine ebene Fläche von 15 bis 20 Metern Durchmesser lag meist in unmittelbarer Nähe eines Baches und in einer Mulde, denn der Köhler musste für alle Fälle Wasser bereithalten, ausserdem konnte der Wind sich als grosser Spielverderber erweisen. Der Platz wurde dann mit einem Gemisch aus Kohlenstaub und Erde bedeckt. Um einen Innenschacht, ebenfalls bestehend aus Holz, von etwa 20 Zentimetern Durchmesser, wurde dann trockenes Meterholz (Laub-, Nadelholz) kegelförmig aufgeschichtet und mit einem Mantel aus Tannästen, Kohlenstaub sowie lehmiger Erde abgedeckt.

250 Gramm Kohlestoff aus einem Kilo Holz

Wer sich ein Bild davon machen will, was für ein Aufwand es war, einen so gigantischen Holzhaufen zu errichten, sollte einen Blick ins Buch «Ernst Brunner Photographien 1937–1962» werfen. Von den 30er- bis in die 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts machte Brunner Bilder vom Landleben in der Schweiz, so auch von noch aktiven Köhlern. Auf insgesamt 41 Bildern hält er jeden Schritt des Kohlenbrennens fest – vom Bau des Platzes bis zum Abfüllen in die Säcke.

Insgesamt beanspruchte die Verkohlung 10 bis 14 Tage. Während dieser Zeit musste der Köhler bei seinem «Sorgenkind» verharren und dafür sorgen, dass die Glut im Inneren nicht durch den Mantel dringt. Bei einem Sturmwind musste er eine Explosion verhindern. Nach der Beendung des Verkohlungsprozesses sackte auch der Meiler zusammen. Gewonnen werden konnten aus einem Kilo Holz 250 Gramm fast reinen Kohlestoff.

Der letzte Köhler des Ägeritals

Bereits im 18. Jahrhundert wurde zum Schutz des Aufwuchses verboten, in bestimmten Wäldern der Kohlenbrennerei nachzugehen. Vermehrt sollte Abfallholz wie Wurzelstöcke und Windfall verwertet werden. Kohlplätze wurden in unwegsame Wälder verlegt, aus denen sich die leichte Holzkohle einfach abführen liess. Deshalb hielt sich das Handwerk in unzugänglichen Waldgebieten des Juras und Napfs bis ins 20. Jahrhundert und darüber hinaus, obschon seit dem 19. Jahrhundert die importierte Steinkohle die Holzkohle verdrängte: Als letzter Ägerikohler gilt Anton, geboren 1870, Sohn der Familie Iten vom Hof Wissenbächli. Er betätigte sich noch während des Ersten Weltkriegs als Kohlebrenner im Muotatal.

Die Serie «Zuger Gewerbe-Geschichte(n)» setzt sich mit Themen aus der wirtschaftlichen Vergangenheit auseinander. Quelle: Seltene Berufe und Menschen im Zugerland, Hermann Steiner, 1984.