Gedanken zur Abstimmungsvorlage «Ehe für alle»
Im Rahmen der Gesetzesänderungen, die das zivilrechtliche Institut der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnen und damit die bestehende Ungleichbehandlung aufheben wollen, geht es auch um das Recht auf Adoption und die Zulassung von verheirateten Frauenpaaren zur Fortpflanzungsmedizin. Viele hadern damit, dass diese Regelungen nicht dem traditionellen Familienbild mit Mutter und Vater entsprechen.
Das traditionelle Familienbild von Mutter und Vater mit gemeinsamen Kindern ist schon länger nicht mehr die Norm. So gab und gibt es viele Kinder, die von Müttern allein erzogen werden und ohne Vater aufwachsen, oder auch Scheidungskinder, die mit dem Vater und ohne Mutter aufwachsen. Und es gibt bereits heute unzählige Regenbogenfamilien (gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern), in welche die Lebenspartner ihre eigenen Kinder mitbringen. Man schätzt, dass in der Schweiz aktuell rund 30000 Kindern in Regenbogenfamilien leben.
Viele internationale Studien belegen zudem: Weder gefährden gleichgeschlechtliche Eltern das Kindeswohl noch haben Kinder in Regenbogenfamilien andere Nachteile. Sie entwickeln sich auf emotionaler, sozialer und intellektueller Ebene vielmehr gleich gut wie Kinder mit anderen Familienstrukturen. Laut einer niederländischen Studie von 2020 zeigen diese Kinder sogar bessere schulische Leistungen. Unter anderem wird das darauf zurückgeführt, dass Kinder aus Regenbogenfamilien immer Wunschkinder sind, dass gleichgeschlechtliche Paare mehr Hürden überwinden müssen, um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen, und darum auch mehr für ihre Kinder tun.
Was am Ende zählt, ist: Kinder brauchen feste und liebevolle Bezugspersonen, ganz unabhängig von deren Geschlecht oder sexueller Orientierung.
Daher ist es aus meiner Sicht nur folgerichtig, eine gemeinsame Adoption von Kindern auch für gleichgeschlechtliche Ehepaare zuzulassen. Mit der gemeinsamen Adoption kann das Ehepaar sicherstellen, dass der gemeinsame Bezug zum Kind erhalten bleibt in dem Fall, dass ein Ehepartner stirbt oder sich das Ehepaar trennt. Es liegt aber auch im Interesse des Kindes, dass beide Ehepartner nahe Bezugspersonen sind und bleiben, und das dies rechtlich durch die Adoption abgesichert werden kann. Natürlich heisst das noch nicht, dass nun jedes gleichgeschlechtliche Ehepaar Kinder adoptieren kann: Das Adoptionsverfahren ist ein streng geregelter Prozess und jedes adoptionswillige Paar wird sich an den gesetzlichen Voraussetzungen messen lassen müssen.
Ähnliches gilt für die Samenspende, welche heute für heterosexuelle Ehepaare bereits möglich ist, wenn der Mann keine Kinder zeugen kann. Der Zugang zur Samenspende soll auch Frauenpaaren ermöglicht werden (Die Eizellenspende und die Leihmutterschaft bleiben hingegen in der Schweiz verboten). Die gesetzlich geregelte Samenspende ist für Frauenpaare die weitaus beste Möglichkeit, sich einen Kinderwunsch zu erfüllen. Private Samenspenden führen für das Kind und das Frauenpaar nämlich zu lebenslanger Rechtsunsicherheit, weil nach aktuellem Recht die Beziehung zwischen der leiblichen Mutter und dem leiblichen Vater in den Vordergrund tritt. Damit wird eine rechtlich geschützte Beziehung des Kindes zur nicht leiblichen Mutter faktisch verunmöglicht, und das wird sich mit dem Zugang zur Fortpflanzungsmedizin ändern, weil die verheirateten Frauen dann von Geburt an als Eltern des Kindes gelten werden.
In diesem Sinne setze ich mich für ein Ja zur Ehe für alle ein.
Matthias Ebneter, Rotkreuz