Nachbar erhält zweite Chance für Einsprache gegen Primarschule in Zug

Seit Jahren wehrt sich ein Anwohner gegen eine Primarschule in einem Zuger Wohnquartier. Trotz verpasster Frist geht der juristische Schlagabtausch in die nächste Runde

Manuel Bühlmann
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Auf einem Areal mit Bauernhaus und Stöckli in Zug befindet sich seit langem eine Kindertagesstätte. Später begannen die Betreiber, zusätzlich privaten Primarschulunterricht zu erteilen – allerdings ohne Bewilligung. Um eine solche bemühten sie sich erst nachträglich. Seit dem ersten Gesuch sind mittlerweile fünfeinhalb Jahre vergangen, doch ein definitiver Entscheid liegt noch immer nicht vor. Im Gegenteil: Das aktuellste Bundesgerichtsurteil dürfte den Rechtsstreit auf unbestimmte Zeit verlängern.

Dabei sah es für die Schulbetreiber lange gut aus. Der Zuger Stadtrat und später auch der Regierungsrat zeigten sich gegenüber dem Projekt wohl gesinnt. Sie erteilten die Bewilligungen – trotz juristischer Gegenwehr eines Nachbarn. Das Vorhaben geriet erst vor dem Zuger Verwaltungsgericht ins Wanken: Die Baubewilligungen wurden wieder aufgehoben, mit der Begründung, in der Wohnzone gelte ein Mindestwohnanteil von 90 Prozent und ein Schulbetrieb könne einer Wohnungsnutzung nicht gleichgestellt werden.

Strategiewechsel der Betreiber

Statt gegen den für sie negativen Entscheid vorzugehen, wählten die Betreiber eine andere Strategie: Sie reichten drei neue Baugesuche ein. Und wieder sah es aus, als stünden sie kurz vor dem Ziel. Obwohl die Gesuche im Amtsblatt publiziert und öffentlich aufgelegt worden waren, blieben Einsprachen innerhalb der Frist aus. Dennoch ging der Rechtsstreit kurz darauf in die nächste Runde. Der Nachbar meldete sich per E-Mail beim Baudepartement der Stadt Zug und verlangte die Wiederherstellung der Einsprachefrist. Was folgte, war eine Neuauflage des ersten Durchgangs durch die Instanzen: Stadtrat und Regierungsrat sprachen sich für die nachträgliche Baubewilligung zur Nutzung für den Primarschulunterricht aus – bevor das Verwaltungsgericht den Entscheid kippte, die Baubewilligungen aufhob und die Einsprachefrist wiederherstellte.

Dieses Mal zogen die Schulbetreiber das Urteil weiter vor das Bundesgericht. Sie argumentieren, nach dem ersten Entscheid des kantonalen Verwaltungsgerichts seien sie gezwungen gewesen, neue Baugesuche einzureichen, um den Primarschulbetrieb doch noch bewilligen lassen zu können.

Der Nachbar hätte im neuen Baubewilligungsverfahren erneut Einsprache erheben können, weil er darauf verzichtete, dürfe er auch nicht als Partei in diesem Verfahren gelten. Dieser Vorteil sei ihnen mit der Wiederherstellung der Einsprachefrist «auf unhaltbare Weise abgesprochen» worden, kritisieren die Betreiber.

Auch die ausgebliebene Information des Nachbarn über die neuen Gesuche sehen sie nicht als Problem, weil er mit diesem Schritt hätte rechnen müssen.

Die höchsten Richter sind anderer Meinung. Sie werten die Einreichung der weiteren Baugesuche als Fortsetzung des bisherigen Verfahrens, weshalb der Nachbar bereits Partei war und keine erneute Einsprache erheben musste, um diese Stellung zu behalten. Der Vorwurf der Schulbetreiber, ihre Rechte seien in unhaltbarer Weise missachtet worden, ist aus Sicht des Gerichts unbegründet.

Kritik am Zuger Stadtrat

In ihrem Urteil üben die Bundesrichter zudem Kritik am Vorgehen der lokalen Regierung: «Unter diesen Umständen wäre der Stadtrat von Zug auch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gehalten gewesen, den Beschwerdegegner auf den Eingang solcher Gesuche aufmerksam zu machen, um ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben.»

Die Beschwerde der Schulbetreiber wird abgewiesen und die Frist wiederhergestellt. Der Nachbar erhält somit erneut die Gelegenheit, sich mit einer Einsprache zur Wehr zu setzen.

Bundesgerichtsurteil 1C_192/2018 vom 19. Februar 2019