Zu den Unterschieden von sozialen und klassischen Medien
Ich staune immer wieder, wie auch äusserst intelligente Menschen ein verzerrtes Bild von den sozialen Medien haben. Durchwegs wird von Narzissmus und 24-stündiger Selbstdarstellung gesprochen. Es wird ausser Acht gelassen, dass Narzissten ein übertriebenes Gefühl ihrer eigenen Wichtigkeit haben, also unter Umständen an einer Persönlichkeitsstörung leiden. Es mag vereinzelt Nutzer von sozialen Medien geben, auf denen dies zutrifft. Die meisten jedoch laufen im Trend mit und teilen sich über diese Medien mit. Sie haben genauso wenig eine Persönlichkeitsstörung wie alle, welche dem Selbstoptimierungswahn nicht widerstehen können und sich Botox spritzen oder ihre Zeit mit Sendungen wie «Bachelor», oder wie alle diese Reality-Shows heissen, vergeuden.
Nüchtern betrachtet können soziale Medien auch eine Chance sein, nämlich eine Chance mit fremden Menschen über Gott und die Welt zu diskutieren. Ich stelle immer wieder fest, dass besonders auf den Facebook-Sites der Mainstreammedien sehr intensiv und vor allem in der Tiefe diskutiert wird und des Öfteren sah ich mich deswegen gezwungen meine Meinung zu ändern. Leider gibt es viele Medien, insbesondere SRF und «Tages-Anzeiger», die mit Verweis auf die Netiquette regelrechte Zensur üben und Kommentare löschen, welche dem Mainstream widersprechen, selbst, wenn sie nicht provokativ formuliert sind. Onlinemedien haben da mehr Achtung vor der Meinungsäusserungsfreiheit, ein selten Gut, welches immer mehr gefährdet wird, und zwar von verschiedensten Seiten, ob links oder rechts. Eine funktionierende Diskussionskultur muss abweichende Meinungen ertragen können.
Michel Ebinger, Rotkreuz