Kolumne «Seitenblick»
Osterhase in Nöten

In Meister Langohrs Fussstapfen wandelt es sich bisweilen gefährlich.

Cornelia Bisch
Cornelia Bisch
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In jedem Freundeskreis, jeder Schulklasse oder Arbeitsgemeinschaft gibt es den klassischen Spassvogel, der seine Umgebung bei allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten verschaukelt, hochnimmt und zum Lachen bringt.

Aber einen wie den unseren gibt es wahrlich nur einmal auf der Welt. Obschon über Jahre geeicht, fallen wir, seine Freunde, noch heute auf seine Streiche und Spässe herein, die er – gesegnet mit einem untrüglichen komödiantischen Instinkt und einem knallharten Pokerface – gleich im Dutzend spontan aus dem Ärmel zu schütteln pflegt.

Am meisten davon ab bekamen in der Kinderstube seine gutherzigen, leichtgläubigen Schwestern und heute die beiden Söhne, die – wie sich herausstellen sollte – zu jenen Äpfeln gehören, die nicht weit vom Stamm fallen.

Letztes Jahr trat der Spassvogel wie gewohnt in des Osterhasen Fussstapfen und schlich, bepackt mit allerlei farbigen, schokoladigen Leckereien, in der Osternacht durch den Garten seines einen Sohnes, welcher derweil gemeinsam mit seinem Bruder in der Stube bei einem Bierchen sass. Es dauerte seine Zeit, bis ihr Vater heimlich die schwierigsten, originellsten, am wenigsten nahe liegenden Verstecke ausgetüftelt und mit den mitgebrachten Köstlichkeiten gefüllt hatte. So weit, so gut.

Als er nach getaner Arbeit still und leise den Heimweg antreten wollte, standen plötzlich zwei Polizisten – offenbar alarmiert von den Nachbarn – vor ihm und versperrten ihm den Weg. Was er denn zu nachtschlafender Zeit in fremden Gärten zu schaffen habe, stellten sie ihn streng zur Rede. «Osterhase? Ja klar, und wir sind Samichlaus und Christkindli!» Die beiden Schutzleute waren nicht so leicht zu überzeugen, obschon der Ertappte ja tragischerweise für einmal die reine Wahrheit sprach.

Sie bestanden darauf, sich die Identität des suspekten Gartenschleichers von den so genannten Söhnen bestätigen zu lassen. Also wurde an deren Tür geläutet. Die beiden öffneten, hörten sich das Begehren der Polizisten an und antworteten auf die Frage, ob ihnen der Herr bekannt sei, mit Unschuldsmiene einvernehmlich im Chor: «Nein, noch nie gesehen!»