Kolumne
«Seitenblick»: Lehrreiche Kinderjahre

Andreas Faessler blickt auf bereichernde Kindheitserfahrungen zurück und wünscht sich, manch andere hätten Ähnliches erlebt.

Andreas Faessler
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Es ist wohl eine Binsenwahrheit, dass gewisse Kindheitserfahrungen Denken und Handeln im Erwachsenenalter prägen. Doch je älter ich werde, desto mehr wird mir dies bewusst beim Blick zurück auf meine eigene Kindheit.

Andreas Faessler

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So erachte ich es heute beispielsweise als wahrlich glückliche Fügung, dass seinerzeit im Nachbarhaus eine grosse Flüchtlingsfamilie aus Südostasien eingezogen ist, als ich gerade mal ein 4-jähriger Knirps war. Die Familie wurde schnell ein Teil meines Alltages, das Verhältnis war eng, herzlich, der Austausch rege und in vielerlei Hinsicht enorm bereichernd. Für mich als Kind wurden dadurch Menschen, die «anders» aussehen und eine andere Kultur pflegen, irgendwie zur normalsten Sache der Welt.

Ein weiterer, für mich aus heutiger Sicht unbezahlbarer Umstand war jener, dass im engsten Freundeskreis meiner Eltern eine Familie war/ist, die ein in etwa gleichaltriges Kind mit schwerer geistiger und körperlicher Behinderung hat. Auch hier: Es war für mich und meinen Bruder von Anfang an fraglos und selbstverständlich, dass dieses Kind trotz seiner starken Einschränkungen in keiner Weise «anders» war als wir.

Und wenn ich heute auf gewisse Entwicklungen in der Gesellschaft blicke, wird mir zuweilen bang. Immer häufiger und expliziter werden Hass und Ablehnung von «Andersartigkeit» richtiggehend zur Schau getragen, erst recht seit Social Media zum Bestandteil vieler Menschen Alltages geworden sind. Da wird deutlich, wie erschreckend viele Menschen Ressentiments, Vorurteile und eine generelle Aversion allen und allem gegenüber hegen, was nicht ihrer (eigenen) Norm entspricht. Man schimpft über Ausländer und Andersdenkende, macht sich über Behinderte lustig, lässt sich über Menschen mit einer «anderen» sexuellen Neigung aus... Häufig so hemmungslos, dass man sich nur noch fragen kann: Was ist bei denen schief gelaufen?

Dann würde ich diesen Leuten am liebsten wünschen, dass ihnen auch das Glück zuteil geworden wäre, bereits in ihrer Kindheit gewisse Werte vermittelt bekommen zu haben. Ich bin sehr dankbar dafür.