Kirchenglocken
Der «Dicke Pitter» wird 100 – wo hängen bei uns die grössten Glocken?

Mit 24 Tonnen Gewicht war der «Dicke Pitter» im Kölner Dom bis 2016 die grösste freischwingende Glocke der Welt. Auch die Schweiz wartet mit einigen Schwergewichten auf.

Andreas Faessler
Drucken
24’000 Kilogramm wiegt die 1923 gegossene Petersglocke im Kölner Dom.

24’000 Kilogramm wiegt die 1923 gegossene Petersglocke im Kölner Dom.

Bild: Imago/Florina Monheim

Am «falschen» Ort zu «falschen» Zeiten ist Kirchengeläut manchen Menschen eine Last. Auf andere wiederum übt Glockenklang eine magische Anziehungskraft aus. Es gibt zahlreiche passionierte «Glockenjäger», die mit Mikrofon und Kamera von Kirche zu Kirche tingeln, um ihr Vollgeläut einzufangen, die Harmonien analysieren, die Klangqualität subjektiv beurteilen und sich untereinander darüber austauschen.

Ein besonderer Tag in der Geschichte der Kirchenglocken war der 5. Mai 1923, als im thüringischen Apolda rund 24 Tonnen glühende Bronze in eine riesige Glockenform flossen. Giessermeister Heinrich Ulrich war mit der Herstellung einer der grössten Glocken der Geschichte beauftragt. Sie war bestimmt für den Südturm des Kölner Domes. Der Guss gelang, sämtliche erwarteten Eigenschaften der neuen Glocke waren erreicht.

Mit einem immensen Kraftakt wurde die Petersglocke im Folgejahr nach Köln transportiert und in den Südturm des Hohen Domes aufgezogen. Wegen technischer Schwierigkeiten verzögerte sich die Inbetriebnahme. Doch am 28. Oktober 1925 schallte über die Dächer der Stadt Köln endlich der tiefste und mächtigste jemals gehörte Glockenklang, als der fast eine Tonne schwere Klöppel der neu gegossenen Petersglocke zum ersten Mal an den Wolm schlug.

Mit ihren 24 Tonnen Gewicht hielt die Kölner Petersglocke bis 2016 den Rekord als weltweit grösste freischwingende Glocke. Sie trat den Rang schliesslich an die neue Glocke für die Kathedrale der Erlösung des Volkes (25,2 Tonnen) in Bukarest ab, behielt jedoch den Rekord als diejenige mit dem tiefsten Schlagton (c0−5).

Nicht unerwähnt bleiben soll in diesem Zusammenhang die 1735 in Russland gegossene Zarenglocke mit einem Gewicht von sagenhaften 202 Tonnen. Jedoch ist sie noch vor ihrem Aufzug so stark beschädigt worden, dass sie nie in Betrieb genommen werden konnte.

In der Nordostschweiz schallt’s besonders mächtig

Und wo hängen hierzulande jene Glocken, die in Sachen Gewicht die Rangliste anführen? An erster Stelle steht die 1611 gegossene Hauptglocke des Berner Münsters. Sie bringt respektable 9,94 Tonnen auf die Waage. Die zweit- bis fünftplatzierten finden wir allesamt in der Ostschweiz – in den Kirchtürmen von Herisau (9,12 Tonnen), Berneck (8,76 Tonnen), Gossau (8,7 Tonnen), Rorschach (8,14 Tonnen) und in der Stiftskirche von St.Gallen. Obschon Letztere – übrigens in Zug gegossen – rund 1,8 Tonnen weniger wiegt als die Rekordhalterin in Bern, ist sie die tontiefste Glocke der Schweiz (e0).

Auch die Zentralschweiz rangiert mit einigen Schwergewichten im oberen Drittel der Rangliste: Die Stundenglocke in der Pfarrkirche von Hitzkirch (7,5 Tonnen) hat hier die Nase vorn, gefolgt von der Dreifaltigkeitsglocke in der Meinradskirche von Pfäffikon SZ (7,04 Tonnen). Auch in Hochdorf, Lachen und Emmen schwingen Exemplare von mindestens 6 Tonnen Gewicht.

Im Kanton Obwalden hält die Maria-Königinnen-Glocke in der Sarner Pfarrkirche den Rekord (5 Tonnen) und in Zug die Dreifaltigkeitsglocke in der Chamer Pfarrkirche (5 Tonnen). In Nidwalden führt die Pfarrkirche Buochs mit der grossen Glocke (4,6 Tonnen) die Rangliste an, in Uri diejenige in der Pfarrkirche Altdorf (3,6 Tonnen).

Kam ein Klöppel geflogen ...

Zurück nach Köln, wo der «Dicke Pitter» jetzt seinen Hundertsten feiert. Obschon der Dom und somit auch die Petersglocke wie durch ein Wunder von den verheerenden Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg weitgehend verschont geblieben sind, hat der «Dicke Pitter» die 100 Jahre nicht ganz «schmerzfrei» überstanden: Ein grosser Riss konnte in den 1950er-Jahren zwar repariert werden, doch musste man einen leichteren, «nur» noch 800 Kilogramm schweren Klöppel installieren und dessen Aufhängung so neuplatzieren, dass er nicht an die reparierte Stelle schlägt.

So klingt die Kölner Petersglocke.

Youtube

Am 6. Januar 2011 schrammte Köln knapp an einem schlimmen Unglück vorbei, als der Klöppel während des Vollgeläuts brach, mit enormer Wucht auf dem Boden des Glockenstuhls aufschlug und das gesamte Gebäude erschütterte. Es wurde abermals ein neuer Klöppel gegossen – noch einmal um 200 Kilo reduziert. Seit Allerheiligen 2018 schallt der mächtige Schlag der Petersglocke zu Hochfesten uneingeschränkt über die Rheinstadt und lässt die Menschen fasziniert aufhorchen und nach oben schauen.