Nach dem Scheitern von «Hallo Nachbar!n»: Das Grüne Forum Hünenberg will den Gemeinderat für das Modell Kiss erwärmen.
Aktuell merkt man mehr denn je, wie wichtig Zusammenhalt und Hilfsbereitschaft ist. Was teilweise fast in Vergessenheit geraten ist, wird uns, während der Coronavirus die Welt weiterhin in seinem Bann hält, wieder bewusst: Wir alle können nur mithilfe von einander funktionieren. Wer seine Familie nicht in der Nähe hat, ist sehr froh, Hilfe von beispielsweise Nachbarn zu erhalten. «Ich komme aus einer Grossfamilie, da war die gegenseitige Unterstützung und soziales Engagement im nachbarschaftlichen Umfeld immer eine Selbstverständlichkeit», sagt Kantonsrätin Rita Hofer. Sie ist Mitglied der Bildungskommission und Präsidentin der Kommission Soziales und Gesundheit sowie Präsidentin des Grünen Forums Hünenberg.
Aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungen habe, so Hofer, die nachbarschaftliche Hilfe wieder an Bedeutung gewonnen. Freiwilligenarbeit entspreche dem Bedürfnis nach gesellschaftlichem Zusammenhalt. Deswegen dachte sie nachdem «Hallo Nachbar!n», ein dreijähriges Projekt der Gemeinde Hünenberg zur Förderung der Nachbarschaft, vor einigen Monaten beendet wurde, über eine Alternative nach.
Nachbarschaftshilfe sei ein wichtiger Teil der sozialen Integration und der Solidarität. Deswegen ist sich Hofer sicher, dass das Modell Kiss (keep it small and simple) wie es beispielsweise in Zug oder in Cham eingeführt wurde, auch für Hünenberg sehr sinnvoll sein könnte. Bei Kiss geht es um Menschen, die untereinander auf einfache und unbürokratische Art Unterstützung bieten. Die Freiwilligen werden mit Zeitgutschriften honoriert, die sie für Lebenssituationen, wo sie selbst Nachbarschaftshilfe gebrauchen können, ansparen oder sofort brauchen sowie sie verschenken können. «Wir vom Grünen Forum werden den Vorstoss, das Modell Kiss in Hünenberg einzuführen, vor den Gemeinderat bringen», so Hofer. Dies wurde vom Vorstand beschlossen.
Hofers Meinung nach wollte die Gemeinde mit dem Projekt «Hallo Nachbar!n» zu sehr nur den Zusammenhalt innerhalb von Quartieren, in denen zum Beispiel viele Senioren wohnen, stärken. «Sich ausschliesslich auf Quartiere zu beschränken ist unvorteilhaft. Ein Angebot sollte sich einheitlich auf die ganze Gemeinde beziehen», findet Hofer. In einzelnen Quartieren funktioniere die Nachbarschaftshilfe schon von allein. Sie könne sich vorstellen, dass es für einige Leute sogar einfacher wäre, sich nicht nur vom engsten Kreis in der Nachbarschaft helfen zu lassen, sondern von Gemeindemitgliedern, die froh sind zu helfen, auch ohne in der direkten Nähe zu sein. «So ein Angebot ist anonymer und niemand hätte das Gefühl, jemandem zur Last zu fallen. Wir sollten uns das Gute Beispiel mit Kiss bei unserer Nachbargemeinde Cham abschauen», findet Hofer.
Weiter sehe sie bei der Einführung des Kiss-Modells eine mögliche Vernetzung sowie besseren Austausch vom Hünenberger Seegebiet zum Dorf. Die beiden Gebiete könnten sich so noch besser kennenlernen. «Dies war schon immer ein Anliegen der Gemeinde, damit das Seegebiet nicht nur Cham-orientiert bleibt», so Hofer. Die Lehrerin könnte sich sogar vorstellen, Kiss gleich in allen Zuger Gemeinden einzuführen. «Falls irgendwann nötig, könnten sich alle Gemeinden des Kantons mit dem gleichen Projekt helfen, anstatt dass immer jeder sein eigenes Süppli kocht. Seit dem Ausbruch von Corona wissen wir mittlerweile alle genau, wie wichtig der Zusammenhalt ist», sagt Hofer. Ebenso könnte man überall im Kanton hinziehen und wüsste als Kiss-Mitglied, dass man sich überall auf gemeinnützige Hilfe verlassen könnte.
Die Gemeinde steht dem Modell skeptisch gegenüber: «Die Kosten für die Vermittlungsstelle erachten wir als hoch. Die Finanzierung ist nicht nachhaltig geregelt», sagt Christian Bollinger, der Leiter der Abteilung Soziales und Gesundheit Hünenberg. Das Thema Nachbarschaft bleibe weiterhin aktuell. Hingegen sei der Bedarf für Koordination in Hünenberg nicht gegeben. Unverständlich für Hofer: «Selbstverständlich wären die Kosten des Modells einerseits durch Mitgliederbeiträge, anderseits durch die Gemeinde zu decken.»
Es könne doch nicht sein, dass sich immer alles um Geld drehe, findet Hofer. «Dass mit dem finanziellen Aufwand für Kiss dafür zum Beispiel Folgekosten wie ein schnellerer Eintritt in ein Altersheim eingespart werden können, muss in der Kostenberechnung miteinbezogen werden. Ebenfalls sollte die Freiwilligenarbeit, die dabei unentgeltlich geleistet werden würde, beim Mehrwert zum Kostenanteil an Kiss höher gewertet werden», sagt Rita Hofer abschliessend.