FLÜCHTLINGE: «Schön, dass wieder Leben im Haus ist»

Unter dem Dach der Sinser Familie Kaufmann wohnt eine syrische ­Familie das ist in der Deutsch­schweiz eine Premiere.

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Fast eine Familie (von links): Marie-Theres Kaufmann, Merna Ablahad, Milad Kourie, Söhnchen Elias und Alois Kaufmann. (Bild Stefan Kaiser)

Fast eine Familie (von links): Marie-Theres Kaufmann, Merna Ablahad, Milad Kourie, Söhnchen Elias und Alois Kaufmann. (Bild Stefan Kaiser)

Luc Müller

Der kleine Elias (17 Monate) macht Faxen und bringt Marie-Theres (74) und Alois Kaufmann (75) zum Lachen. Eigentlich eine ganz normale Familiensituation – doch die Kaufmanns sind seit Tagen in den Schlagzeilen. «Der Rummel ist schon sehr gross. Aber wir wollen die Leute animieren, uns nachzueifern», sagt Marie-Theres Kaufmann. In ihrem Haus in Sins lebt seit dem 1. April eine dreiköpfige Flüchtlingsfamilie aus Syrien: Merna Ablahad (26), Milad Kourie (34) und Söhnchen Elias. Vor rund zwei Jahren hat die Schweizer Flüchtlingshilfe die Idee ins Spiel gebracht, dass Flüchtlinge bei Privatpersonen wohnen sollen – damit diese schneller und besser integriert werden (siehe Box). In der Deutschschweiz sind die Kaufmanns nun die Ersten, welche im Rahmen des Pilotprojekts der Schweizer Flüchtlingshilfe zu Hause Asylbewerber beherbergen.

Sie leben im oberen Stock

«Mit vier Kindern haben wir hier in unserem Haus gewohnt. Alle sind inzwischen ausgeflogen. Für uns ist es schön, dass wieder Leben im Haus ist», freut sich Alois Kaufmann. Die Familie, die aus der nordsyrischen Stadt Al Hasakah geflohen ist, wohnt im oberen Stock des Einfamilienhauses der Kaufmanns in einer 3-Zimmer-Wohnung. Die Miete für die syrische Familie zahlt der Kanton, der das Geld der Gemeinde überweist, die direkt die Wohnung bezahlt.

Täglich zum Deutschkurs

Merna Ablahad und Milad Kourie besuchen jeden Tag einen Intensivdeutschkurs in Aarau. «Wir können uns mit ihnen auf Deutsch schon recht gut unterhalten», berichten die Kaufmanns. «Wir haben schon zusammen Kaffee getrunken und mit Merna habe ich kürzlich zusammen gebacken. Sie wiederum hat mir eine syrische Spezialität zum Probieren gebracht», berichtet ­Marie-Theres Kaufmann, die sich schon seit Jahren aktiv um die Integration von Flüchtlingen in Sins kümmert. Einerseits organisiert sie Deutschkurse, andererseits monatlich einen Frauentreff für Migrantinnen.

«Als sie neu zu uns kamen, haben wir ihnen alles im Dorf gezeigt. Sie sind sehr selbstständig und können den Alltag gut alleine bewältigen», berichtet Alois Kaufmann über seine neuen Mieter aus der Fremde.

Per Flugzeug in die Schweiz

Milad Kourie, der in Syrien als Goldschmied tätig war, hat einen Bruder in Wohlen. Der hat ihm im Oktober 2013 geholfen, in die Schweiz zu kommen. In der Schweizer Botschaft in Beirut, der Hauptstadt des Libanon ein Nachbarstaat von Syrien –, erhielt Milad Kourie ein Besuchervisum für die Schweiz. Von der Türkei aus flog die syrische Familie in die Schweiz und beantragte hier Asyl. Zunächst lebten sie in einer Asylunterkunft in aargauischen Suhr. «In meiner Heimat herrschen Chaos und Krieg. Ich habe in unserer Stadt Tote am Boden gesehen. Es gab keinen Strom und kein Wasser mehr. Mit meiner Familie konnte ich nicht mehr hier leben.»

Die Schweiz gefalle ihr sehr gut, sagt Merna Ablahad. «Dass wir hier nun in Freiheit leben können, ist das grösste Geschenk.» In ihrer Heimat haben sie noch Geschwister und Verwandte. «Wir machen uns oft Sorgen um sie, wenn wir im Fernsehen wieder schlimme Bilder sehen.»

Ihre Zukunft sieht das Ehepaar in der Schweiz. Ihr Söhnchen ist bereits Schweizer er ist hier geboren. Noch haben sie im Alltag nicht viel Kontakt mit Schweizern. Täglich lernt die syrische Familie Neues kennen – so probierten sie kürzlich zum ersten Mal in ihrem Leben einen Käsekuchen: Gebacken hat ihn Marie-Theres Kaufmann.