Der Vordereglezen-Hof in Dietwil ist schon 300 Jahre alt und heute ein beliebtes Ziel für Airbnb-Touristen.
«Really?». Fünf Amerikaner trinken Kaffee in der Küche des 300-jährigen Bauernhauses und lauschen ihrer Airbnb-Gastgeberin. Mara Simonetta erzählt von früheren Gästen, von jenen aus Hawaii, die sich über Regen freuten, kurzerhand ihre Luftmatratzen aufbliesen und sich auf dem Hofgelände vom kühlen Nass berieseln liessen. Oder von den Chinesen, mit denen sie sich nur dank dem Programm «Google Translate» unterhalten konnte.
Der Vordereglezen-Hof thront oberhalb des südlichsten Dorfes des Kantons. Wer mit dem öffentlichen Verkehr nach Dietwil reist, muss danach 15 Minuten den Hang hinauflaufen und taucht Schritt um Schritt in eine andere Welt ein. Sattes grünes Gras links und rechts des Strässchens. In der Ferne der näherkommende Hof, alleinstehend, einzig umgeben von grossen Bäumen. Ein Roter Milan segelt majestätisch durch die Lüfte.
«Viele sprechen von einem Heidi-Feeling», sagt Mara Simonetta, die mit ihrem Mann Herbert Widmer den Vordereglezen-Hof bewirtschaftet und im angebauten neueren Teil des Hauses wohnt – dort wo früher der Schweinestall war. Nur die schottischen Hochlandrinder, welche auf der Weide grasen, passen nicht ganz in dieses Freiämter Heidi-Land.
«Who is Heidi?» Jace Munselle interessiert sich für die Schweizer Romanfigur, aber noch viel mehr für die Berge. Die Landschaft hier sei wunderschön, die Schweiz unterbewertet, sagt er, der wie seine «Reisegspänli» wegen seiner Freundin Karla Rosado hier ist. Die 22-Jährige lernt derzeit ein Semester Deutsch in Dortmund, und bekam jetzt für einige Wochen Besuch aus der Heimat. Gemeinsam bereisen sie Europa. Vor Dietwil besuchten sie Amsterdam, nach Dietwil geht es nach Barcelona. Hier sei es bislang am schönsten, sagt ihr Bruder, Carlos Rosado. «Ich bin lieber auf dem Land als in der Stadt.»
Als Mara Simonetta 2017 die Wohnung auf Airbnb aufschaltete, hätte sie nie gedacht, dass die alte Hofwohnung mitten auf dem Land derart beliebt sein könnte. Doch bislang waren gegen 400 Personen aus ungefähr 35 verschiedenen Ländern zu Gast bei Simonetta. Zuerst viele Südkoreaner, jetzt sind es häufig Amerikaner, welche die Wohnung buchen. Die meisten Rückmeldungen sind positiv.
Einer schreibt: «Es ist ein tolles Gefühl, in einem 300-jährigen Gebäude in einem typischen Schweizer Dorf zu sein.» Ein anderer meint, es sei kein typisches Airbnb, und ein Besuch wert. «Das Heizen über Holzöfen ist charmant – fragt vor dem Zubettgehen nach Holz!»
Die zwei alten Kachelöfen sind das Highlight der Wohnung. Noch heute wird sie nur mit ihnen beheizt. Neben Küche und Badezimmer gibt es drei Räume, in denen jeweils zwei Personen übernachten können. Eine Nacht zu zweit kostet je nach Saison und Wochentag zwischen 150 und 200 Franken. Jede zusätzliche Person 50 Franken.
«Mara is lovely.» Die US-amerikanischen-Gäste sind happy mit ihrer Gastgeberin, für deren Besucher klare Hausregeln gelten. Keine Party. Kein Besuch im Stall ohne Familienmitglied. Sowie: Keine Pelzprodukte auf dem Hof. «Die sind mir ein Gräuel», sagt Simonetta, die mittlerweile auch im Berner Oberland Wohnungen vermietet. Jene in Dietwil wird aber irgendwann wieder vom Netz gehen. Airbnb ist nur eine Zwischenlösung. «Bis eine meiner Töchter allenfalls einmal mit ihrer Familie einzieht.»