Kein Umzug, kein Apéro. Sollte der EV Zug seinen zweiten Meistertitel einfahren, verzichten die Verantwortlichen vorerst auf Feierlichkeiten – auch im kleinen Rahmen. Das wird den Fans herzlich egal sein, schon jetzt versammeln sie sich zu Hunderten vor dem Stadion.
Patrick Lengwiler, ein Mann mit asketischem Körperbau und angegrautem Haar, hat vielleicht bald etwas zu feiern. Und dann hat er ein Problem. Noch zwei Siege fehlen seinem EVZ, bis der zweite Schweizer-Meister-Titel im Eishockey nicht mehr nur Traum ist. Sondern Tatsache. Nur: Sollte es so weit kommen, bleibt es vorerst bei der einzigen Meisterfeier von 1998.
«Wir würden ja gerne etwas machen, aber wir können nicht», sagt Lengwiler in einem Sitzungszimmer unter dem Dach der Bossard-Arena. Hier empfängt der Geschäftsführer des EV Zug zum Gespräch, an dem er nicht viel Zeit verliert, bis er ausspricht, was ihn beschäftigt: «Falls wir Meister werden, müssen wir eine Feier auf unbestimmte Zeit verschieben.»
Das liegt an Corona: Der Bund erlaubt im Freien 15 Personen an privaten Treffen, für Open-Air-Veranstaltungen mit Publikum gilt eine Obergrenze von 100 Personen. Eine Kleinstveranstaltung kommt für die EVZ-Verantwortlichen nicht in Frage. Mit 100 Anwesenden könne man nichts auf die Beine stellen, das dem Titel gerecht werde, sagt Lengwiler, der froh ist, als die Interviewanfrage unserer Zeitung kommt. Denn er will offensichtlich Klarheit in die Sache bringen: Von vielen Seiten seien in letzter Zeit Anfragen gekommen, was im Fall eines Meistertitels passiert.
«Nichts», sagt der 43-Jährige mit verschränkten Armen und angezogenen Schultern nochmals. «Jedenfalls im Moment nicht. Sollten wir den Titel gewinnen, werden wir ganz sicher feiern, aber halt erst, wenn es die Umstände zulassen.» Ob das im Juli, August oder erst 2022 sei, lässt der EVZ-CEO offen: «Natürlich ist das frustrierend, wir alle hätten lieber 7200 Leute im Stadion und nochmals 2000 bis 3000 beim Public Viewing vor der Arena. Wir müssen uns den Umständen fügen. Aber nochmals: Wenn es etwas zu feiern gibt, werden wir feiern – halt einfach später.»
Das jedenfalls ist die offizielle Kommunikation. Doch jedem dürfte klar sein: Fährt der EV Zug den Titel ein, verkommt sie zu totem Buchstaben. Bei einem Sieg in der Best-of-five-Serie gegen Genève-Servette heisst es in Zug: Party. Das ist so sicher wie die Sirene am Drittelsende. Die Bilder aus dem jurassischen Pruntrut haben letzte Woche gezeigt, wie schnell die Gedanken an die Coronamassnahmen in der Bierdusche weggeschwemmt werden. Die Anhänger des HC Ajoie feierten den Aufstieg in die höchste Spielklasse, hielten, wie Aufnahmen des Schweizer Fernsehens zeigen, teilweise so viel Abstand wie das Partyvolk an der Streetparade oder die Fasnächtler am Urknall in Luzern.
In Zug gab es schon am vergangenen Samstag vergleichbare Szenen: Nach dem erfolgreichen Finaleinzug in der Serie gegen die Rapperswil-Jona Lakers wurde die Mannschaft vor der Bossard-Arena von jubelnden Fans empfangen. Von 200 bis 300 Fans spricht die Zuger Polizei, Bilder und Videos, die vom Anlass kursieren, deuten an, dass es mehr gewesen sein dürften. Auch am Montag, beim ersten Heimspiel der Finalserie, haben sich laut Polizeisprecher Frank Kleiner 200 Fans vor dem Stadion versammelt.
An beiden Tagen hätten die «anwesenden Personen friedlich gefeiert und es wurden keine Sachbeschädigungen begangen», so Kleiner. Am Samstag sei die Polizei mit uniformierten und zivilen Einsatzkräften vor Ort gewesen. Ziel sei es gewesen, den Empfang der Mannschaft in geordneten Bahnen über die Bühne zu bringen. Kleiner: «Dieses Ziel haben wir erreicht.»
Derzeit plant die Zuger Polizei die Einsätze für die kommenden Finalspiele, man stehe mit dem EVZ in Kontakt. Dabei gilt laut Kleiner wie immer das Prinzip der Verhältnismässigkeit:
«Im Vordergrund stehen klar Dialog und Deeskalation, das Durchsetzen kommt ganz am Schluss zum Einsatz. Sollte es aber zu Sachbeschädigungen kommen oder eine Gefahr für Unbeteiligte entstehen, würde man unverzüglich intervenieren.»
Auch EVZ-CEO Patrick Lengwiler macht sich keine Illusionen; auch er weiss, dass die Anhänger weiter vors Stadion pilgern werden: «Es ist schön zu sehen, dass die Fans Freude am Erfolg der Mannschaft haben. Wir können und werden selber nichts veranstalten, aber diese Freude können wir nicht verbieten.» Lengwilers Aussage lässt darauf schliessen, dass sich der EV Zug für die Menschenansammlungen nur bedingt verantwortlich fühlt. Wie der Geschäftsführer sagt, sei es schlussendlich Sache der Polizei, die Situation zu bewerten und mit der nötigen Verhältnismässigkeit zu agieren:
«Wir können einzig an jede und jeden appellieren, die Schutzbestimmungen einzuhalten, Masken zu tragen und Abstände einzuhalten.»
Seinem Eindruck nach funktioniere das gut, die meisten Leute würden sich an die Vorgaben halten.
Damit klingt es bei Lengwiler gleich wie bei Reto Graf, dem Präsidenten des Fanclubs «Der 7. Mann Herti-Nordkurve»: «Wir können Meister werden. Nach 23 Jahren. Da ist es schwer, die Leute im Zaum zu halten.» Trotzdem: Laut Graf würde sich die Mehrheit der Fans an die Regeln halten, wenn es Menschenansammlungen wie am vergangenen Samstag auf dem Arenaplatz gebe: «Die allermeisten haben eine Maske getragen und die Abstände eingehalten. Wir machen auch immer wieder darauf aufmerksam, sich an die Regeln zu halten.» Viel mehr könne der Fanclub nicht tun. Graf: «Am Ende ist jeder für sein Verhalten selber verantwortlich.»