Sie sind aus Asien und sehr hungrig – Pflanzenschutzexperte Raymund Gmünder spricht über die gefährlichsten Käfer im Kanton.
Die Falle ist an einem Birnbaum befestigt. Schon auf den Nachbarsästen tummeln sich überall kleine Insekten, die durch die Sexualhormone in der Falle angelockt werden: sogenannte Marmorierte Baumwanzen. Die Art ist bei Landwirtschaftsbetrieben äusserst unbeliebt. Denn mit seinem Rüssel sticht der kleine Käfer Früchte – Birnen zum Beispiel. Die angesaugten Produkte weisen danach eingesunkene Stellen auf und können nicht mehr vermarktet werden.
Raymund Gmünder ist Leiter des kantonalen Pflanzenschutzdienstes. Mittels Fallen versucht der Prorektor des Landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrums (LBBZ) in Cham herauszufinden, wie stark der Befall der Baumwanze im Kanton Zug tatsächlich ist. Er sagt:
«Wir waren erschrocken über die starke Verbreitung, als wir letztes Jahr mit der Überwachung begonnen hatten.»
Bis jetzt sei der Schaden im Kanton Zug aber überschaubar. Aktuell sind sechs Fallen aufgestellt – drei auf dem Schluechthof und drei in Hünenberg. Pro Falle sammle er wöchentlich zwischen 20 und 48 Käfer ein, das sei etwa gleich viel wie im vergangenen Jahr. Das knapp zwei Zentimeter lange Insekt (siehe folgendes Bild) mag besonders Obst. Obstanlagen stehen im Kanton Zug auf einer Fläche von zirka 80 Hektaren. Auch Gemüse sticht der Käfer an, davon wird in Zug aber fast keins angebaut.
Vorzugsweise halten sich die Schädlinge in der Nähe von Siedlungsgebieten auf, wo sie im Winter Unterschlupf in Häusern finden. Zu unterscheiden ist die Marmorierte Baumwanze übrigens von der einheimischen Baumwanze, die weniger schädlich ist, aber ähnlich aussieht. Die einheimische Art ist an ihrem Dorn zwischen den Vorderbeinen erkennbar.
Eingeschleppt wurde die Baumwanze vermutlich 2004 in Zürich. Damals fotografierte laut einem Bericht der «NZZ» eine Privatperson den Käfer in der Nähe des Chinagartens. Dort wurden just in diesem Jahr Ziegel aus China angeliefert. Man vermutet, dass der Käfer als blinder Passagier nach Zürich kam. Bisher sind Experten ratlos, wie sie auf den Schädling reagieren sollen. Die Fallen sind zu wenig effizient: Auch auf den umliegenden Birnbäumen in Cham krabbeln viele weitere Baumwanzen. Die Netze, die neben und über die Plantage gespannt sind, helfen offensichtlich ebenfalls nicht – allerdings sind nicht alle von ihnen engmaschig. Selbst Insektizide wirken nur begrenzt.
Die Baumwanze ist nicht der einzige Schädling, mit dem sich Gmünder befasst. Sorgen bereitet ihm zurzeit der asiatische Moschusbockkäfer (siehe Bild unten). Bis jetzt wurde das Insekt in Deutschland und Italien gesichtet, in der Schweiz noch nicht. Dieser Käfer sei besonders schädlich. Die Gefahr geht von seinen Larven aus, die er in Bäumen ablegt: Sie fressen unter der Rinde und bohren sich später durchs Holz. Dabei werfen sie Späne aus den Gängen. Der Befall schwächt die Bäume, sie produzieren weniger Früchte. Im schlimmsten Fall kommt es zum Totalschaden: dem Absterben des Baumes.
Abgesehen hat es das bis zu vier Zentimeter lange Insekt auf Steinfrüchte. Davon gibt es im Kanton Zug rund 20 Hektar. Nach den Sommerferien wird Gmünder bei rund zehn Prozent dieser Fläche Kontrollen vornehmen. Wenn er dann Schädlinge findet, müssten alle Bäume im Umkreis von 100 Metern gerodet werden. «Dies verursacht hohe Kosten», gibt Gmünder zu Bedenken. Den Käfer zu bekämpfen, sei schwierig, weil sich die Art im geschützten Holz befindet. Deshalb unterliegt der Import von Steinobstbäumen aus Befallsgebieten strengen Auflagen. Der Leiter des kantonalen Pflanzenschutzdienstes sagt, dass der Schädling wahrscheinlich mit Holzpaletten nach Europa eingeschleppt worden sei. Dies, obwohl die Paletten eigentlich als hitzebehandelt und somit als «käferfrei» zertifiziert sind.
Gmünder bittet für die Überwachung die Bevölkerung um Hilfe. Bei einer Sichtung von Holzspänen unten am Stamm eines Chriesi-, Zwetschgen- oder Aprikosenbaumes soll man sich an den kantonalen Pflanzenschutzdienst (041 227 75 56) wenden.
(gub) «Bis jetzt haben wir gewartet, bis etwas passiert», sagt Raymund Gmünder. Beispielsweise wurden Kontrollen an den Grenzen vorgenommen, um Schädlinge aufzuspüren. Erst wenn ein Schädling in der Schweiz gesichtet wurde, leitete der Bund Massnahmen ein. Dies ändert sich mit dem neuen Pflanzengesundheitsrecht 2020. Ab dann wird neu präventiv kontrolliert, wie im Fall des asiatischen Moschusbocks (siehe Haupttext). Das neue Recht gilt auch für Viren, Bakterien und Pilzen. Ausserdem werden alle Pflanzen eine Art «Pass» erhalten, damit ihre Herkunft nachvollziehbar ist.