Startseite
Zentralschweiz
Zug
Gedanken zur «Ehe für alle» hinsichtlich der eidgenössischen Abstimmung vom 26.September
Ich habe kürzlich einen Kollegen auf die Ehe für alle (Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in der Schweiz) angesprochen, weil ich bemerkt hatte, dass ihn das Thema unangenehm berührte.
In einer ersten Antwort sagte er mir klar, dass er bei dem Thema hin- und hergerissen sei. Einerseits möchte er mit der Zeit gehen, aber andererseits sei er halt noch von der alten Schule und damit aufgewachsen, dass die Ehe eine Institution zwischen Mann und Frau sei. Gerade auch aus religiösen Gründen finde er es schwierig, sich mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare anzufreunden.
Viele können vermutlich seine Position nachvollziehen. Ich selber bin in einem konservativen und streng katholischen Kanton aufgewachsen und wusste bis ins Erwachsenenalter nicht einmal, dass nicht alle Menschen sich mit den heterosexuellen Normen bezüglich Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung identifizieren, und dass es auch Liebe und lebenslange Beziehungen zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren gibt.
Ich selber habe mich als Katholik mit diesem Widerspruch persönlich auch auseinandergesetzt, und weil ich vermute, dass viele bei der Frage der Öffnung der Ehe in dieser Sackgasse landen, möchte ich den Ausweg, den ich gefunden habe, offen kommunizieren:
Der Ausweg aus der Sachkasse zwischen Religion und Ehe für alle besteht darin, die Ehe als zivilrechtliches Institut zu verstehen, das unabhängig ist vom religiösen Verständnis der Ehe. Das zivilrechtliche Institut der Ehe in der Schweiz will nämlich nicht religiöse Vorstellungen von Ehe verwirklichen, sondern es letztlich zwei Menschen, die sich lieben, ermöglichen, auch rechtlich eine sehr enge Beziehung einzugehen, die sicherstellt, dass beide für einander da sind (Beistandspflichten, Unterhaltspflichten) und nach aussen hin eine Einheit bilden (Vertretungsrecht, Besuchsrecht, gemeinsame Haftung), teilweise sogar über die Trennung und den Tod hinaus (eheliches Güterrecht und Erbrecht). Die zivilrechtliche Ehe ist daher vielmehr ein eigenständiges Institut, dass sich von religiösen Vorstellungen gelöst hat.
Religiös wäre zum Beispiel eine Auflösung der Ehe, wie sie zivilrechtlich extrem häufig stattfindet, nicht oder nur in speziellen Ausnahmefällen möglich. Trotzdem lassen wir die Scheidung zivilrechtlich zu. Auch erwartet die zivilrechtliche Ehe (im Gegensatz zum Beispiel zur katholischen Kirche) von niemandem, Kinder zu haben und religiös zu erziehen. Das zeigt, dass die zivilrechtliche Ehe von religiösen Vorgaben entkoppelt ist und wir damit die Freiheit haben, dieses zivilrechtliche Institut der Ehe kontinuierlich neu zu gestalten.
Wenn man die Ehe als zivilrechtliches Institut begreift, handelt es sich bei der Öffnung für gleichgeschlechtliche Paare dann auch nur um eine Weiterentwicklung der Ehe. Und weil die zivilrechtliche Ehe von der Religion losgekoppelt ist, wird damit auch nicht in das religiöse Verständnis von Ehe einge-griffen. Die Kirchen und Religionen können weiterhin frei entscheiden, welche Form von Ehe sie aus religiöser Sicht akzeptieren.
Ich hoffe, dass ich damit auch meinen Kollegen überzeugen konnte. Was er mir jedenfalls am Ende unseres Gesprächs anvertraut hat: Seine Kinder haben keine Berührungsängste und sind klar für die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare.
In diesem Sinne setze ich mich für ein Ja zur Ehe für alle ein.
Matthias Ebneter, Rotkreuz