Zwei Schienenkräne platzierten am Morgen des 9. Julis in Walchwil das grösste Bauwerk des SBB-Projekts Zugersee Ost.
Zwei Drohnen kreisen über der Baustelle beim Sagenbachviadukt in Walchwil. Das Wetter ist angenehm, bewölkt und kühl. Ungefähr 20 Bauarbeiter scharen sich um die zwei Pfeiler, in die in wenigen Minuten die zweite Sagenbachbrücke für die künftige Doppelspur eingesetzt wird. Noch steht die 62 Tonnen schwere Stahlbrücke leicht versetzt neben den Schienen. Sie wurde vor wenigen Tagen über den Strassenweg hergebracht. Zwei Lastwagen wurden benötigt, um sie die steile Zufahrtsstrasse hochzuschleppen. Gleich wird die Brücke, die in Oftringen von der Firma Senn hergestellt wurde, eingehoben.
Rolf Schwarb ist Gesamtprojektleiter Substanzerhalt bei der SBB. Der ehemalige Maurer macht einen gelassenen Eindruck, als er das Geschehen von einem erhöhten Punkt aus beobachtet. Trotzdem sagt er: «Eine gewisse Anspannung ist schon da.» Bräuchten seine Leute einen zweiten Versuch, hätten sie ein «grösseres Problem». Doch bis jetzt läuft alles glatt.
Die 35 Meter lange Brücke ist der erste Meilenstein des Grossprojekts Zugersee Ost. Sie ist erforderlich, um die Fahrbahn zwischen Walchwil und Zug doppelspurig auszubauen. So können sich die Züge künftig auf einer Länge von 2,2 Kilometern kreuzen. Das alte, über 100-jährige Sagenbachviadukt bleibt bestehen. Im Rahmen des Ausbaus zur Doppelspur wird in Walchwil ausserdem der Tunnel Büel aufgeweitet und die Haltestelle Hörndli der neuen Gleisanlage angepasst. Der Bahnhof Walchwil ist bereits jetzt zweispurig.
Gleich ist es so weit. In gemächlichen Tempo rollen aus der Richtung Arth-Goldau zwei mächtige, zirka 100 Tonnen schwere Schienenkranen an. Aufgeregt bringen sich die verschiedenen Fotografen in Position. Sogar die Bauarbeiter zücken ihre Handys. Nachdem die Kranführer ihre Stützbeine ausgefahren haben, lassen sie ihre grossen Ausleger über die neue Brücke schwenken. Nachdem die Kollegen das übergrosse Geschirr mit der Brücke verbunden haben, geben sich die Kranführer per Funk das Zeichen fürs Anheben.
Ganz langsam steigt die Brücke in die Höhe auf und schwebt über das Gleis. Stützbeine einfahren, Gas geben. Nun rollen die Kräne im Schneckentempo auf die Brücke zu. Dort angekommen, dirigieren die Kranführer die Brücke langsam über das Tobel des Sagenbachs und senken sie ab. Nach einer gefühlten Ewigkeit sitzt die Brücke auf den zwei Pfeilern. Ein Blick auf die Uhr: Immerhin eine Dreiviertelstunde dauerte das Schauspiel.
Nachdem die Brücke eingesetzt worden ist, wird sie gemäss Schwarb später mit sogenanntem «Vergussmörtel» am Pfeiler befestigt. Vor und hinter dem Hauptteil der Brücke, die soeben eingesetzt wurde, fügen die Bauarbeiter bald Verbindungselemente an. Erst dann ist die Brücke auf der ganzen Länge komplett. Darauf werden die Betonelemente, die jetzt noch neben dem Gleis bereitstehen, auf der Brücke montiert. Hierfür sind auf dem Stahl-Koloss bereits verschiedene Dübel installiert, erklärt Schwarb. Es folgt ein sieben Meter breiter Betontrog für das Schotterbett. Danach werden der Schotter, die Schwellen und die Schienen eingefügt. Die letztgenannten Komponenten müssen im Schnitt etwa alle 40 Jahre ausgewechselt werden. Die Brücke selbst soll, wie ihr «Nachbar», das alte Sagenbachviadukt aus Naturstein, ungefähr 100 Jahre halten. Für Wartungsarbeiten ist sie sogar mit einer kleinen Türe versehen.
Wieso wurde die Brücke genau jetzt eingesetzt? Laut Marc Manetsch, Gesamtprojektleiter Zugersee Ost, hat dies vor allem logistische Gründe: Die ganze Strecke Zug bis Arth-Goldau werde rückgebaut. Weil es wegen des unwegsamen Geländes nicht möglich war, die neue Sagenbachbrücke mit Pneukranen einzuheben, entschied man sich für Schienenkranen. Folglich musste dies zu einem frühen Zeitpunkt geschehen, und zwar, bevor die Gleise rückgebaut werden. Zurzeit sei der Rückbau von Zug her ungefähr bis zur Sagenbachbrücke fortgeschritten, sagt Manetsch. Mitte August 2019 soll der Rückbau fertig sein. Danach werden das Bahntrassee und rund 80 Infrastrukturobjekte wie beispielsweise Bachdurchlässe und Stützmauern saniert. Anschliessend werden die Gleise neu eingebaut – auf 1,7 Kilometer eben doppelspurig – und entsprechend mit einer Fahrleitung installiert.
Die Brücke ist das grösste Bauwerk des Projekts Zugersee Ost, an dem seit vier Wochen gebaut wird. Das Projekt hat Auswirkungen auf den Fahrplan: Bis Mitte April 2020 fährt die Stadtbahnlinie noch zwischen Zug und Oberwil. Danach wird auch diese Strecke bis im Dezember 2020 für Bauarbeiten gesperrt. Unter anderem bekommt das Viadukt ein neues Abdichtungssystem und der Stadttunnel im Gebiet Guggi muss vergrössert werden. Künftig werden nämlich neu auch Doppelstockzüge zwischen Zug und Arth Goldau verkehren können.
Gemäss SBB zählt die Totalsperre am Ostufer des Zugersees zu einer der längsten in der Geschichte der Bundesbahnen. Es wird mit Gesamtkosten von rund 200 Millionen Franken gerechnet. Nach der Fertigstellung ermöglicht das Projekt Zugersee Ost laut den SBB mehr und schnellere Verbindungen im Fernverkehr. Bis dahin müssen sich die ÖV-Benutzer jedoch noch ein wenig gedulden.
(gub) Seit vier Wochen fahren die Züge nach einem Ersatzfahrplan. Das Ersatzangebot sei am Pfingstsonntag gut angelaufen und habe sich laut einer Mitteilung der SBB die ersten zwei Wochen bewährt. Das mit den öV-Partnern zusammen ausgearbeitete Konzept funktioniere «im Grundsatz». In den letzten zwei Wochen hatten jedoch verschiedene Einflüsse, insbesondere verspätete EC-Züge, sowie Störungen an Fahrzeugen und an den Bahnanlagen negative Folgen auf die Pünktlichkeit. Davon betroffen war der Raum Zentralschweiz mit Auswirkungen ebenfalls auf der Nord-Süd-Achse Gotthard.
Falsche Preise und Fehler bei der Reservierung behoben
Diese Einflüsse führten unter anderem dazu, dass die Stadtbahn Zug weniger pünktlich verkehrte und Anschlüsse auf die S-Bahnen in Rotkreuz nicht eingehalten wurden. Auch in Bellinzona konnten die Anschlüsse zwischen den Fernverkehrs- und den Regionalzügen nicht immer eingehalten werden. Die SBB würden «laufend Massnahmen zur Verbesserung der Fahrplanstabilität umsetzen».
So wurde beispielsweise die Wartefrist aller Züge der S26 ab dem ersten Juli ausgedehnt. Zu Beginn der Streckensperre kam es zu falschen Preisberechnungen einzelner Billette sowie Fehlern im Reservationssystem. Beides konnte laut einer Mitteilung der SBB zeitnah behoben werden. Für die ausfallende Stadtbahn S2 verkehrt Richtung Zug in einem halbstündigen Grundtakt die Buslinie 5, die zusätzlich schnelle Kurse anbietet. Zudem verbindet während der Bauphase die neu geschaffene Buslinie 71 ohne Halt den Zug Bahnhof mit der Haltestelle Schwyz Post.