Mit seiner Ehefrau teilte sich der Lehrer Klaus Birrer eine Vollzeitstelle. Jetzt geht der Rischer, der auch als Hauswart arbeitete, in Pension.
An den Wänden hängen selbstgemachte Poster von genau den Baum-Arten, die man vom Klassenzimmer aus im angrenzenden Wald sehen kann. Unter der Wandtafel liegen verschiedene Gegenstände, wie etwa ein Ziegelstein, mit den entsprechenden englischen Voci-Kärtchen daneben. Das Ehepaar hat in «seinem» Klassenzimmer Platz genommen. «Es war mir wichtig, dass Kinder die Sachen anfassen und erfahren können», sagt der Primarlehrer Klaus Birrer, und greift mit seinen Händen in die Luft. Seine Frau: «Klaus ist ein Sammler!». «Ja, das wird mir jetzt zum Verhängnis» antwortet der ironisch. Bis gestern ging Klaus Birrer jeden Tag ins Rischer Schulhaus zur Arbeit. Seit Freitag nun ist er pensioniert.
Der gebürtige Luzerner tritt seine Stelle 1983 an. Bald verspürt er den Wunsch, mehr Zeit, mit seinen vier Kindern zu verbringen. Zumal seine Frau Adeline ebenfalls Lehrerin war, lag für ihn die Lösung auf dem Tisch: die Pensenteilung. Was heute nicht mehr für Aufsehen sorgt, war 1990 im überschaubaren Rotkreuz ein Novum. Bei der Beratung des Gesuchs durch die Schulkommission musste Birrer, ebenfalls Mitglied, eine halbe Stunde vor der Tür warten. Danach wurde ihm mitgeteilt, dass die Versammlung erst eher skeptisch gewesen sei. Die Kommission meinte dann aber, dass dies mit zwei Ehepartnern ja schon funktionieren könnte. Und es funktionierte.
Die Eheleute ergänzten sich. «Du bist der Kreative», sagt Adeline Birrer. Zu den Lieblingsfächern ihres Mannes gehörte Englisch, Zeichnen, Werken und Musik. Seine Frau mochte vor allem Mathe («weil es so klar strukturiert ist»), Deutsch, Mensch & Umwelt und Sport. Ob die enge Zusammenarbeit manchmal schwierig war? Die beiden überlegen einen Moment. Schliesslich meint sie, dass man schon auch in der Freizeit über den Unterricht gesprochen habe. Dies sei jedoch durch die unkomplizierte Kommunikation – man kannte sich ja – mehr als wettgemacht worden.
Bevor Klaus Birrer sich mit seiner Frau eine Klasse teilte, arbeitete seine Frau als Hauswartin des Schulhauses. Später übernahm er den Job – tatsächlich aber teilten sich die beiden die Arbeit immer. Mit diesem Engagement erhielt die Familie die offizielle Hauswartswohnung im alten Schulhaus, gerade mal einen Katzensprung von der heutigen Schule entfernt. Wenn Klaus Birrer Abstand zur Schule brauchte, zog er sich in den Wald oder an den See zurück, bevorzugt mit einem historischen Roman, der ihm seine Frau empfohlen hat. Aber auch Wandern und Radfahren gehören zu den Hobbys der beiden; sie besitzen zwei handliche Faltvelos. Noch mehr in den Mittelpunkt der Familie rückt die Schule, als die eigenen vier Kinder zu ihnen in die Klasse kommen. «Am Abend kriegten wir jeweils eine direkte und kritische Rückmeldung zu den Husi», sagt Klaus Birrer. Die «Gspänli» in der Klasse hätten kein Problem damit gehabt, dass die Kinder der Birrers ihre Eltern nicht gesiezt haben.
Birrer war ein innovativer Lehrer. Er schrieb ein Theater für das ganze Schulhaus. Er fuhr mit in einem zum Schulzimmer und Schlafraum umgebauten Bus ins Klassenlager. Er führte sowohl das erste Klassenlager als auch – mit Kolleginnen und Kollegen – das erste Skilager der Gemeinde Risch durch. Letzteres erhielt übrigens erst im zweiten Anlauf grünes Licht. (Zuerst wies es die Schulkommission mit der Begründung ab, man wolle nicht für die Eltern die Ferien finanzieren.)
Auch als Hauswart – wen wundert’s? – prägte er die Schule. «Als ich nach Risch kam, sah die Umgebung des Schulhauses düster aus.» Heute stehen auf dem Gelände Weidenhäuser, ein Freiwerkplatz und zwei Brunnen. Ferner diente bis vor dem Anbau die alte Seilbahnkabine von Trübsee als Gruppenraum auf dem Pausenplatz. Das Highlight ist wohl der selbstgemachte Brotbackofen, den Birrer mit seinen Schülerinnen und Schüler nach vier Jahren Bauzeit einweihte. Als Birrer während einer Hausführung den Ofen zeigt, ist er noch warm: Er habe der sechsten Klasse versprochen, heute ein letztes Mal mit ihnen zu backen. Er offeriert ein kleines Stück: Es schmeckt ausserordentlich lecker.
Das Ehepaar verabschiedet sich. Sie wird noch zwei Jahre weiter unterrichten, er wird bald dahin reisen, wo er noch nie war: Kuba, Albanien, die baltischen Staaten. Ausserdem möchte er mehr Zeit mit seinen Enkelkindern verbringen. Seine Schülerinnen und Schüler werden ihn sicherlich vermissen. Klaus Birrer hat offenbar seine Berufung nicht nur gefunden. Er konnte sie voll und ganz ausleben.