Auch in Altersheimen wird manchmal zu tief ins Glas geschaut

In Altersheimen wird getrunken: Während in anderen Regionen über ausfällige Senioren berichtet wird, scheint die Lage im Kanton Zug weniger angespannt zu sein.

Vanessa Varisco
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Ausfällige Senioren gibt es in den Zuger Alterszentren kaum. (Symbolbild)

Ausfällige Senioren gibt es in den Zuger Alterszentren kaum. (Symbolbild)

Ist ein gewisses Alter erreicht, kann für Seniorinnen und Senioren der Umzug in ein Altersheim anstehen. Einige von ihnen trinken in den Heimen wie in ihrem Alltag vor dem Eintritt Alkohol. Der Tagesanzeiger berichtete kürzlich, dass Alkoholiker in Alterszentren zunehmend zum Problem werden. Das zeigt eine bislang unveröffentlichte Studie des Bundes. Sie gefährden sich selber und werden ausfällig.

Im Kanton Zug sei bekannt, dass gewisse Senioren Alkohol konsumierten, doch ausfällig würden die wenigsten, weiss Peter Arnold, Geschäftsleiter der Alterszentren Zug. «Dass jemand übergriffig wird oder das Personal beschimpft, gibt es kaum», betont er auf Anfrage. Bei der kantonalen Spitex, welche Senioren zu Hause betreut, sei das ähnlich, gibt Geschäftsführerin Carina Brüngger Auskunft: «Extrem ausfällig ist meines Wissens noch kein Kunde geworden.»

Keine ausfälligen Senioren

Dass Alkohol in Altersheimen getrunken wird, manchmal vielleicht auch ein Glas zu viel, ist Peter Arnold bewusst. «Wir versuchen, solche Situationen aber in einer gewissen Normalität abzuhandeln», führt er aus. Meistens sei bereits vor dem Eintritt in ein Altersheim bekannt, ob und welche Abhängigkeiten jemand habe. «Wir validieren die Situation jedes Seniors davor», erklärt Arnold.

Weshalb die Situation weniger dramatisch sei als in anderen Altersheimen wie vom Tagesanzeiger beschrieben, erklärt sich Arnold damit, dass man die Leute, welche in ein Altersheim eintreten, einerseits besser kenne und andererseits die Senioren oft ein Pflegestadium erreicht hätten, in welchem sie wenig mobil seien. «Wir würden aber einem Bewohner nie verbieten, Alkohol zu konsumieren, schliesslich sind wir kein Gefängnis. Die Menschen können sich frei bewegen», so der Geschäftsleiter der Alterszentren Zug. Die Anzahl an trinkenden Senioren hat in seiner Amtszeit nicht zugenommen: «Würde sie zunehmen, müsste die Betreuung angepasst werden und die Pflegenden speziell für solche Fälle ausgebildet werden.»

Das Gespräch suchen

Wie Senioren betreut würden, welche regelmässig Alkohol konsumieren, werde von Fall zu Fall anders gehandhabt, berichtet Carina Brüngger von der kantonalen Spitex. «Wir suchen immer den direkten Austausch mit dem Kunden», erläutert sie. Zugenommen hat der Konsum nicht laut ihrer Einschätzung.

«Ausserdem ist die Situation bei der Spitex anders als in einem Alterszentrum. Oftmals besuchen unsere Pflegefachfrauen die Senioren nicht jeden Tag, weshalb sie immer nur einen kurzen Ausschnitt vom Leben des Seniors zu sehen bekommen», gibt Carina Brüngger zu bedenken. Verbieten würde auch die Spitex den Alkoholkonsum nicht. «Wir kennen ja die Gründe nicht, würden es aber sicher mit dem Kunden thematisieren», resümiert die Geschäftsführerin.

Alkohol wird im Alter schlechter abgebaut

In der Schweiz sind rund 250 000 Menschen alkoholabhängig. Personen über 65 bilden die grösste Gruppe, die chronisch zu viel trinkt. Genaue Zahlen, wie viele ältere Menschen betroffen sind, gibt es nicht, weil es eine Dunkelziffer gibt. Weshalb greifen ältere Menschen zum Alkohol? Stefanie Knocks, Generalsekretärin vom Fachverband Sucht erklärt: «Aus dem gleichen Grund wie jüngere Menschen. Man sitzt in geselliger Runde mit Freunden und Familie, und dazugehört für viele Menschen Alkohol.»

Senioren hätten mehr Zeit für solche gemeinschaftlichen Anlässe. «Was ja eigentlich eine schöne Sache ist», findet Knocks. Gleichzeitig sei es verlockend, Schmerz und Trauer mit Alkohol zu betäuben. «Und ab einem gewissen Alter nehmen körperliche Gebrechen und Verluste von Familie und Freunden zu», führt die Generalsekretärin des Fachverbands aus und ergänzt: «Der grosse Unterschied zu jüngeren Menschen ist, dass Alkohol mit zunehmendem Alter vom Körper schlechter abgebaut wird. Die gewohnten Alkoholmengen sind schädlicher.»

Risiko von Verletzungen höher

Herausforderungen sind ausserdem, dass wie bei jüngeren Menschen das Risiko für Stürze und Verletzungen höher ist – deren Folge «bei Senioren aber meist viel gravierender sind». Problematisch kann ausserdem sein, dass die Anzeichen von übermässigem Alkoholkonsum mit «normalen» Altersbeschwerden und Krankheitssymptomen verwechselt werden, wie verminderte geistige und körperliche Leistungsfähigkeit oder Konzentrationsstörungen.

Wenn die trinkenden Senioren in einem Alters- oder Pflegeheim leben, können sich weitere Schwierigkeiten ergeben. «Etwa dann, wenn das Personal nicht auf den Umgang mit diesen Bewohnerinnen und Bewohnern vorbereitet ist», schildert Knocks. Der Fachverband erarbeite aus diesem Grund gemeinsam mit verschiedenen Partnern ein Betreuungskonzept für den Umgang mit alternden Menschen mit einer Abhängigkeit.