Am Dienstag ist das gesamte Korps der Feuerwehr aufgeboten worden – zu einer Übung im ganz grossen Stil.
Lionel Hausheer
Eigentlich sollte Erich Herzog an diesem Abend im Büro sitzen. Der selbstständig erwerbende Lüftungsreiniger wollte den ganzen liegen gebliebenen Papierkram erledigen. Das wird an diesem Dienstagabend nicht klappen: Erich Herzogs Handy klingelt, während er noch zu Hause ist. «Ich habe eine Meldung von einem Brand im Mandelhof in Cham», klingt es aus dem kleinen Lautsprecher. Ein Personenwagen sei in Brand geraten. Wirklich überrascht ist Erich Herzog allerdings nicht. Denn der Alarm ist dieses Mal nicht echt – und die Übung angekündigt.
Kein Wunder also, ist das Korps am Dienstag mit zirka hundert teilnehmenden Feuerwehrleuten beinahe vollzählig. Im Ernstfall sei dies kaum je so, denn man brauche nicht immer den gesamten Bestand aufzubieten. Urs Baggenstos, Kommandant der Feuerwehr Cham, baut dabei im Ernstfall auf Erfahrungswerte. «Je nach Tageszeit und Wochentag muss man hundert Mann aufbieten, damit sicher sechzig rechtzeitig am Schadenplatz sein können.»
Erich Herzog ist rechtzeitig am Schadenplatz. Als Offizier wird ihm vom Einsatzleiter die Verantwortung für den Teil Rettung übergeben. Im Alarm war von einem brennenden Auto beim Chamer Gemeindehaus, dem Mandelhof, die Rede. Das Szenario, das sich den Feuerwehrleuten aber bietet, ist nun aber ein anderes. Und scheint um einiges komplizierter. Erich Herzog ist aber nach sechzehn Jahren zu routiniert, um darüber die Fassung zu verlieren. «Solche halbrichtigen Meldungen sind sehr realitätsnah.» Müsse sich die Polizei, die den Alarm weitergibt, doch auf Meldungen von Passanten stützen. «Da muss man dann flexibel sein.» Erich Herzog zuckt mit den Schultern und lacht: «Aber das sind wir ja.»
Feuerwehrkommandant Urs Baggenstos hatte den Beobachtern im Vorfeld genau erklärt, was diese Übung beinhalten wird. «Ein Laster, beladen mit tausend Litern Benzin, der doppelten Menge Heizöl und zwei Schweinen im Anhänger, ist beim Mandelhof in die Mauer zur Tiefgarageneinfahrt gekracht.» Das Benzin läuft aus in Richtung Tiefgarage, entzündet sich, worauf zwei Personenwagen Feuer fangen. Unter einem vom Lastwagen fallenden Tank wird dazu noch eine Person eingeklemmt.
An dieser Stelle muss Urs Baggenstos kurz lächeln ob der Absurdität des Übungsszenarios. «Zu allem Unglück musste just an diesem Tag noch jemand umziehen, wodurch eine Tür zum Treppenhaus offen blieb. Rauch gelangt auf diesem Weg ins gesamte Gebäude.» Ob realistisch oder nicht – bei der Übung muss es für möglichst alle etwas zu tun geben.
Der Mandelhof ist voller Rauch – oder vielmehr voll von hellgrauem Disconebel. «Bei einem richtigen Brand hätten wir es mit dickem, schwarzem Rauch zu tun. Da sieht man dann die Hand vor den Augen nicht», sagt Baggenstos. Eine Seilschaft von drei Leuten mit Sauerstoffflaschen auf dem Rücken stapft durch den Nebel. Jedes bisschen Haut ist sorgsam bedeckt. Die Leute vom Atemschutz sind jene, die sich an die unbequemsten Orte vorwagen, um nach Verletzten zu suchen. «Wir haben schon Atemschutzübungen gemacht mit Umgebungstemperaturen von rund 250 Grad Celsius.» Später erzählt man von Ernstfällen, bei denen bis zu 800 Grad geherrscht haben sollen. Eine Herausforderung, selbst für sehr sportliche Menschen.
Kommandant Baggenstos zieht ein positives Fazit: «Man sieht, die Feuerwehr in Cham funktioniert.» Auch Rettungsoffizier Erich Herzog ist grundsätzlich zufrieden. «Natürlich gibt es immer Verbesserungspotenzial», doch dieses zu finden, sei schliesslich auch Zweck der Übung gewesen.
Hinweis
Am 20. Oktober führt die Feuerwehr Cham um 19.30 Uhr einen Informationsabend für mögliche Neumitglieder durch. Der Anlass findet im Feuerwehrgebäude an der Sinserstrasse 36 statt.