Barry Dequanne (49) ist der neue Direktor der International School of Zug and Luzern (ISZL). Zuvor war er an ähnlichen Schulen in Brasilia, Sao Paulo, Buenos Aires und im afrikanischen Swasiland tätig. Der Kanadier spricht über das heutige Lernen – und Eishockey.
Raphael Biermayr
raphael.biermayr@zugerzeitung.ch
Barry Dequanne verkörpert das Musterbild der nordamerikanischen Führungskraft: Er ist von sportlicher Erscheinung, streut immer wieder Komplimente für Englisch und Fragen des Gegenübers ein und spricht enthusiastische und druckreife Sätze. Der 49-Jährige ist seit Anfang Juli Direktor der International School of Zug and Luzern (ISZL). Zuvor war er an internationalen Schulen in Brasilia, Sao Paulo, Buenos Aires und im afrikanischen Swasiland tätig. Der mit seiner schwangeren Frau in Zug wohnhafte Kanadier bittet mit einem breiten Lachen zum Interview in sein Büro im schmucken Haupthaus des Hauptsitzes in Walterswil bei Baar. Mit am Tisch sitzt auch die langjährige Sprecherin der Schule, Laura Schoepfer.
Barry Dequanne, Sie haben zuvor in Millionenmetropolen gelebt und gearbeitet. Waren Sie geschockt, als Sie zum ersten Mal hier in Walterswil waren?
Nein. Ich bin in einer Kleinstadt in Kanada aufgewachsen, und in Swasiland war es auch ländlich. Brasilia ist zwar ziemlich gross, aber es fühlt sich an wie in einer Kleinstadt, weil es eine konstruierte Stadt ist. Ich schätze die Ruhe hier, weil sie meiner Seele guttut.
Macht es überhaupt einen Unterschied, wo Sie arbeiten? Internationale Schulen wirken oft wie eine eigene Welt.
Das könnte man meinen, aber es ist nicht so. Ich liebe es, Ski und Rad zu fahren oder zu wandern. Die Schweiz ist perfekt dafür. Wir wollen auch, dass unsere Schüler damit in Berührung kommen. Das gilt auch für organisatorische Dinge wie das Weltklasse-Recycling. Es geht also darum, vom Schweizer System zu lernen.
Ist das realistisch? Ihre Schüler sind im Durchschnitt nur rund drei Jahre in der Schweiz und währenddessen die meiste Zeit abgeschottet in der International School.
Das ist tatsächlich ein Thema. Wir sprechen von einer «Blase», in der sich manche Schüler befinden. Es ist aus meiner Sicht ein immenser Verlust, nicht mit der lokalen Bevölkerung in Kontakt zu sein. Es wurden aber bereits Anstrengungen unternommen, das zu ändern. Und wir arbeiten weiter daran.
Es ist allerdings verständlich, wenn jemand den Kontakt meidet, um beim Weiterzug nicht zu viel Trennungsschmerz von Schweizer Freunden zu verspüren.
Heutzutage sind Trennungen dank Social Media kein so grosses Problem mehr. Manche unserer Schüler sind in hiesigen Sportvereinen oder in der Musikschule, und das unterstützen wir sehr. (Nach Auskunft der ISZL-Sprecherin Laura Schoepfer liegt die Zahl von Schülern in lokalen Vereinen bei etwa 30 Prozent, was rund 400 Kindern entspricht, Anm. d. Red.).
Was können Schweizer tun, um den Kontakt mit ISZL-Schülern und -Angestellten zu vereinfachen?
Sie können sich bei uns melden und vorbeikommen! Ich bin beeindruckt, wie gut viele Schweizer Kinder schon Englisch sprechen, das würde sicher gut funktionieren. Wir wollen den Austausch unbedingt verstärken.
Wie haben Sie die Schweiz bislang erlebt?
Ich war ja vorhin in Brasilien, das ein sehr freundliches und offenes Land ist. Die Schweizer seien hingegen gegenüber Fremden zurückhaltend, hatte ich gehört und gelesen. Aber nach zwölf Tagen in Zug habe ich festgestellt, dass das nicht wahr ist. Ich kam sofort in Kontakt mit Schweizern, obwohl ich noch kein Wort Deutsch spreche. Dieses Klischee stimmt also nicht, die anderen hingegen absolut, etwa die hervorragende Organisation, die gute Schokolade und so weiter. Und ich bin schwer beeindruckt, wie stark sich die Schweizer um sich und ihre Umwelt kümmern. Es ist ein sehr gesundes Land.
Sie sagen, Sie würde noch kein Deutsch sprechen. Lernen Sie es?
Ja, ich habe mir in jedem Land Mühe gegeben, die Sprache zu lernen. Ich finde es einen Riesenfehler, das nicht zu tun – es ist aus meiner Sicht geradezu respektlos.
Also sprechen Sie sogar Zulu, wie das vermutlich in Swasiland der Fall ist?
(Lacht)Zulu wird in Südafrika gesprochen. In Swasiland spricht man Swati, was ähnlich ist wie Zulu. Ich kann das ein wenig und habe auch ein bisschen Klicksprache gelernt, das hier ist ein «C» (macht ein schnalzendes Geräusch). Darüber hinaus spreche ich von Haus aus Englisch und etwas Französisch, und habe dank meiner Arbeit Spanisch und Portugiesisch gelernt. Letzteres sei nicht schlecht, sagt wenigstens meine brasilianische Frau...
Zurück zu Ihrem Engagement in der ISZL. Gibt es eine Art Markt für Direktoren von International Schools, auf dem Ihr Name auftauchte?
Ja, und es ist ein sehr kompetitiver Markt. Viele Direktoren wetteifern um die guten Stellen. Der Auswahlprozess für die ISZL war sehr hart, meine Frau und ich führten während dreier Tage jeweils zwölf Stunden lang Gespräche. Die Entscheidung lag letztlich beim Stiftungsrat, doch auch die Belegschaft, die Eltern und sogar die Schüler hatten ein Mitspracherecht.
Klingt stressig.
Das bringt so eine Veränderung mit sich. Es ist eine riesige Schule mit rund 1250 Schülern, deren Familien sowie den Angestellten. Mein Ziel ist es, so viele Leute wie möglich kennen zu lernen. Ich sehe es als Herausforderung.
Welchen Ruf hat die ISZL in der Welt?
Es ist eine sehr angesehene Schule. Wegen der überdurchschnittlichen Ergebnisse in Vergleichstests, aber auch wegen des Standorts hier. Die Schule gilt als vorbildlich und unsere Community ist sehr stolz auf unsere Leistungen.
Wie gross ist Ihr Einfluss auf die strategische Ausrichtung der ISZL?
Die strategische Ausrichtung liegt in meiner Verantwortung sowie in der des Stiftungsrats. Sie ist meine Hauptaufgabe, wenngleich ich das Operative nicht aus den Augen verlieren will. Wenn ein Direktor wechselt, hat man die einzigartige Möglichkeit, in Ruhe zu überblicken, wie es um die Schule steht, und wie die Schule in Zukunft aussehen soll.
In welchen Bereichen kann sich die ISZL denn verbessern?
Ich muss vorausschicken, dass der Stiftungsrat mich nicht als Krisenmanager geholt hat, die Schule läuft gut. Aber es ist klar, dass sich jede Schule immer verbessern kann. Das betrifft nicht nur die Noten, sondern auch Dinge wie Gesundheit, Verbundenheit mit der lokalen Bevölkerung und vieles mehr. Ich werde mir in den nächsten Monaten einen Überblick verschaffen.
Wie nehmen Sie das Lernverhalten der Schüler heutzutage wahr?
Als ich zur Schule ging, musste man etwas, das man wissen wollte, in der Bibliothek nachschlagen oder Lehrer oder Eltern fragen. Heute hat jeder sein Smartphone griffbereit. Das ist nichts Schlechtes, dem tragen wir Rechnung. Aber wir müssen auch dafür sorgen, das Wissen nicht verlorengeht und in der Praxis weitergegeben wird. Ich war kürzlich mit meiner schwangeren Frau im Krankenhaus. Zuerst hat ein Doktor in Ausbildung sie untersucht, danach in dessen Anwesenheit ein erfahrener Arzt. Genauso muss es funktionieren!
Wie wollen Sie das Ihren Schülern beibringen, die einem anderen System angehören?
Wir können das nicht allein tun. Ich war kürzlich an einer Versammlung von Direktoren von 30, 40 Schulen. Dort werden solche Themen besprochen. Es herrscht Einigkeit darüber, dass sich in Zukunft etwas ändern muss. Wir können dabei vom Schweizer Modell lernen.
Zwei persönliche Fragen zum Schluss. Als Kanadier mögen Sie Eishockey, nicht wahr?
Ich liebe es! Ich habe 20 Jahre lang gespielt. Da fällt mir ein, gerade gestern habe ich eine Foto gefunden, das mich als Spieler an der Universität zeigt, schauen Sie! (Zeigt die Aufnahme auf seinem Smartphone) Ich habe das Eishockey in den letzten Jahren sehr vermisst. Kürzlich bin ich mit meinen zwei Hunden die Bossard-Arena entlanggegangen. Ich freue mich riesig darauf, darin Spiele von Zug anschauen zu gehen.
Wo ist Ihr Zuhause?
Wow, das ist eine grosse Frage, die nicht leicht zu beantworten ist. Ich habe zwei Antworten darauf. Zuhause ist einerseits, wo ich wohne, momentan also in Zug. Und Zuhause ist andererseits, wo meine Familie und diejenige meiner Frau sind, also in Toronto und Brasilia. Meine Tochter wird nach ihrer Geburt alle diese Orte in sich tragen.
Kapazität. Die International School of Zug and Luzern (ISZL) hat für das neue Schuljahr 1251 Schüler aus 61 Nationen und beschäftigt 195 Lehrer aus 27 Nationen. Darüber hinaus bietet sie eine KV-Lehrstelle nach Schweizer System an. Die Schule finanziert sich nach eigenen Angaben hauptsächlich über Semestergebühren und sei als Stiftung nicht gewinnorientiert. Sie ist an ihre Kapazitätsgrenzen gestossen und einige Gebäude sind sanierungsbedürftig. Schon vor über zwei Jahren hat die ISZL ihre Pläne für eine umfassende Modernisierung ihres Campus in Walterswil vorgestellt, umgesetzt wurde seither nichts. «Das es sich hier um ein grosses Projekt handelt, das viel Zeit benötigt, können im Moment keine Details zum Stand kommuniziert werden. Wenn es spruchreif ist, werden wir orientieren», sagt die ISZL-Sprecherin Laura Schoepfer. (bier)