Einer der weltweit führenden Entdecker von Ölvorkommen zieht Zuger Erdölfirmen vor Handelsgericht. Es geht um entgangene Gewinnbeteiligungen in Kasachstan.
«Ich will Gerechtigkeit.» Der dies sagt, heisst Jack Grynberg, und er sitzt am Konferenztisch in einem Zürcher Büro zusammen mit seinem Anwalt Adrian Bürgi. Grynberg, Geophysiker, Petro- und Chemie-Ingenieur, vereint eine seltene Begabung auf sich. Er hat eine Nase für die Entdeckung von Erdöl- und Erdgasvorkommen. Niemand war dabei in den letzten Jahrzehnten so erfolgreich wie er. Damit hat sich der 83-Jährige in der Branche nicht nur als Wissenschaftler einen klingenden Namen erarbeitet, sondern er ist auch ein äusserst erfolgreicher Unternehmer.
Der US-Amerikaner, der in Colorado lebt, blickt auf ein bewegtes Leben zurück. Aufgewachsen in Polen, flüchtete er während der Wirren des Zweiten Weltkrieges zusammen mit seiner Mutter gen Osten und wurde bereits als Kind in den Wäldern Weissrusslands mit den Härten des dortigen Partisanenkrieges konfrontiert. Noch im Teenageralter zog er dann ins damalige Palästina und kämpfte dort an der Seite des späteren israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin im israelischen Unabhängigkeitskrieg gegen die arabischen Truppen.
Beim Kampf, den Grynberg heute ausficht, sind keine Waffen im Spiel. Bei der Auseinandersetzung zwischen ihm und diversen Erdölkonzernen wie BP oder Shell steht das Recht und dessen Interpretation im Mittelpunkt. Die Wurzeln des Konflikts gehen zurück auf die späten 1980er-Jahre. Dank seiner Sprachkenntnisse und der exzellenten Beziehungen zu russischen Kollegen gelangte Grynberg damals an Datenmaterial, das von den Sowjets zwar erhoben, aber nicht ausgewertet wurde.
Bei den Dokumenten handelt es sich um kilometerlange Streifen mit seismischen Kurven. Darin vertiefte sich Grynberg in wochenlanger Arbeit, und er fand heraus, wo im nördlichen Gebiet des Kaspischen Meeres mutmasslich enorme Erdölvorkommen lagern. Grynberg sagt: «Ich fand die Nadel im Heuhaufen.» Nach der Loslösung Kasachstans von der Sowjetunion wurde Grynberg von der Regierung in Almaty damit beauftragt, ein Konsortium zu bilden. Dies, um mit Hilfe westlicher Erdölkonzerne die Schätze im Kaspischen Meer zu fördern. Es wurde eine Absichtserklärung unterzeichnet und darin vereinbart, dass Grynberg während 40 Jahren 20 Prozent der Gewinne aus der Erdölförderung zustehen.
Das Konsortium kam Mitte der 1990er-Jahre dann auch zustande. Grynberg aber war nicht mehr mit von der Partie. Weshalb? Das erfuhr der Wissenschaftler erst Jahre später. Dann nämlich, als ein gewisser James Giffen vor den Schranken eines New Yorker Gerichtes stand. Während dieses Prozesses kam ans Tageslicht, dass CIA-Agent Giffen die kasachische Regierung bestochen hatte. So konnten sich die westlichen Erdölfirmen die Rechte am kasachischen Erdöl und Gas sichern, ohne den Grynberg zustehenden Gewinnanteil bezahlen zu müssen. Ein Schachzug, mit dem die Firmen Milliarden sparten. Denn ihr «Eintrittspreis» ins Konsortium betrug gemäss Aussagen eines ehemaligen Topmanagers der Erdölindustrie nur 30 Millionen Dollar pro Unternehmen.
Von Kasachstan nun also nach Zug. Anwalt Adrian Bürgi sagt dazu: «Einen Teil des Gewinnes, den die Erdölkonzerne in Kasachstan erwirtschaften, fliesst in die Schweiz. Die Konzerne haben hier wichtige Holding- und Finanzfirmen. Und bis zu 30 Prozent des in die Schweiz importierten Erdöls stammt von eben jenen Erdölfeldern, die Grynberg entdeckt hat.» Gemäss Bürgi geht es in der juristischen Auseinandersetzung um Hunderte von Milliarden US-Dollar. Milliarden, die seinem Mandanten entgangen sind, weil er auf hinterhältige Art und Weise aus dem Konsortium eliminiert wurde.
Bürgis Strategie beruht auf dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb UWG. UWG-Artikel 5 besagt, dass die unbefugte Nutzung eines «anvertrauten Arbeitsergebnisses wie Offerten, Berechnungen oder Pläne» verboten ist. Die unbefugte Nutzung fremden geistigen Eigentums verjährt auch nicht. Von Bürgis respektive Grynbergs Klage sind in Zug unter anderem Shell und BP betroffen. Shell-Sprecherin Jane Nüssli sagt: «Zu einem laufenden Verfahren nehmen wir keine Stellung.» Und Isabelle Thommen von BP Europa, erklärt: «BP kennt die Klage und weist diese vollumfänglich und mit allem Nachdruck als haltlos zurück.»
Immerhin: Eine seiner Klagen gegen die Erdölkonzerne konnte Grynberg inzwischen in Kanada mit einem Vergleich abschliessen.
Thomas Heer