Alles für den Kinderwunsch: Im neuen Ärztehaus an der Lorze in Cham entsteht ein neues Institut. Es soll im November seine Pforten öffnen.
Die Spermienqualität bei Männern nimmt ab und auch ältere Paare wollen noch Kinder bekommen: Es gibt diverse Gründe wieso sich die Reproduktionsmedizin immer grösserer Beliebtheit erfreut. Drei Kliniken gibt es derzeit in der Zentralschweiz; zwei in Luzern und eine in Pfäffikon, nun kommt noch ein Institut im Kanton Zug, dazu und zwar im neuen Ärztehaus an der Lorze der Hirslanden Andreas-Klinik in Cham, das diesen Herbst eröffnet. Das Institut selbst soll dann voraussichtlich im November seine Pforten öffnen, noch läuft der Innenausbau. Verantwortet wird das neue Angebot von der GEA IVF AG, hinter der die Embryologin Graziella Bracone steht.
Bracone ist eine 46-jährige Ostschweizerin mit italienischen Wurzeln und viel Erfahrung in ihrem Metier. Studiert hat sie Physiopathologie, verfügt über einen Master of Science in Embryologie und hat zuletzt während sechs Jahren das IVF (In Vitro Fertilisation) und Andrologie Labor des Kantonsspitals Luzern geleitet. «Um nicht ins verflixte siebte Jahr zu kommen, hab ich entschieden, aufzuhören und etwas Eigenes zu machen», scherzt Bracone. Da der Kanton Zug bisher noch keine Reproduktionsklinik habe, habe sie sich für diesen Standort entscheiden. Während sich Bracone mit zwei Kolleginnen ums Labor kümmert, verantwortet der Basler Markus Bleichenbacher gemeinsam mit einem Kollegen die gynäkologischen Untersuchungen. Bracone kennt den 59-Jährigen schon länger.
Das neue Institut wird die zwei unteren Stockwerke des Ärztehauses umfassen und vor allem über einen separaten Eingang verfügen, der direkt gegenüber der Tiefgarage liegt. Das sei wichtig, sagt Bleichenbacher, da Anonymität in diesem medizinischen Bereich sehr geschätzt werde. Doch was genau können die Patienten vom neuen Institut erwarten? Das Besondere, so Bleichenbacher, sei erst mal, dass es bei ihnen keine örtliche Trennung zwischen Labor und Gynäkologie gebe, was effiziente Abläufe garantiere.
«Die Paare kommen mit ihrem unerfüllten Kinderwunsch zu uns. Man sagt, bis zum 30. Geburtstag der Frau kann das Paar ohne Bedenken zwei Jahre zuwarten. Bis 35 Jahre besser maximal nur ein Jahr. Bis 40 Jahre noch ein halbes und über 40 wäre es vernünftig, sofort eine Untersuchung durchzuführen», führt er aus. Im Institut wird dann die Frau einer Ultraschalluntersuchung unterzogen und der Mann gibt eine Spermienprobe ab. «Wie dann behandelt wird, ist vom Befund abhängig. Vielleicht genügt auch einfach eine Hormonbehandlung mit Tabletten», so Bleichenbacher. Kerngeschäft des Instituts sei aber die IVF also die sogenannte Reagenzglasbefruchtung.
Nach einer Vorbehandlung mit Hormonspritzen entnimmt Bleichenbacher der Frau eine Eizelle und gibt sie ins anliegende IVF-Labor an Bracone weiter. Um den Eltern zu garantieren, dass dort nichts vertauscht wird, wovor sich manche fürchten würden, wird alles mit Barcodes versehen, sodass der ganze Weg der Eizelle nachvollziehbar ist. Die Eizelle wird im Labor dann im geeigneten Behältnis mit den Spermien des Mannes befruchtet. «Nach rund zwei Tagen entwickeln sich die Embryonen», so Bleichenbacher. Die Anzahl sei unter anderem vom Alter der Beteiligten abhängig.
Um zu wissen, welcher Embryo sich am besten entwickelt, werden diese alle zehn Minuten automatisch fotografiert und daraus dann ein Zeitraffer erstellt. «Der vielversprechendste Embryo wird der Frau wieder eingesetzt», führt Bleichenbacher aus. Zu diesem Zeitpunkt habe dieser eine Grösse von etwa 0,1 Millimeter. Nach zwölf Tagen wird dann ein Schwangerschaftstest durchgeführt. Die Schwangerschaftsrate hänge naturgemäss sehr von den Umständen ab, bei guten Voraussetzungen betrage sie aber etwa 50 Prozent. Und wie viel kostet so eine Schwangerschaftshilfe aus dem Labor? «Je nach Therapieform bewegen wir uns in der Grössenordnung zwischen 4000 und 9000 Franken pro Zyklus», antwortet Institutsleiterin Bracone.
Doch nicht jeder darf die Reproduktionsmedizin in Anspruch nehmen. «Es ist beispielsweise vorgeschrieben, dass beide Eltern fürs Kind bis zu dessen Volljährigkeit sorgen müssen», führt Bleichenbacher aus. «Einen 70-jährigen Mann, der zwar eine junge Frau hat, aber selbst nur noch eine überschaubare Lebenserwartung, müssten wir ablehnen.» Gleiches gelte für kranke Patienten.
Doch es ist nicht nur die künstliche Befruchtung, die angeboten wird. Die Experten helfen auch, die Fruchtbarkeit sozusagen zu erhalten. «Wir können das Ejakulat oder die Eizelle von Krebspatienten einfrieren, um diese vor der Chemotherapie zu schützen. Nach der Genesung kann dann beispielsweise die Eizelle im Labor befruchtet werden», so Bracone. In Anspruch wird dieses Angebot aber auch von Frauen genommen, die sich entscheiden, erst später schwanger werden zu wollen. «Das kommt immer häufiger vor, auch wenn das Verfahren eigentlich nicht dafür entwickelt wurde», bestätigt Gynäkologe Bleichenbacher.
Sehr erfreut über die neuen Mieter zeigt sich Jonas Zollinger, Direktor der Andreas-Klinik in Cham. «Für uns ist es sehr begrüssenswert, dass die Patientinnen und Patienten Leistungen im Zusammenhang mit dem Kinderwunsch auch vor Ort im Kanton Zug erhalten können.»