Es war ein wilder Ritt durchs vergangene Jahr 2020. Corona, Corona und nochmals Corona. Auf viele Fragen keine Antworten. Viel falsch aber auch einiges richtig gemacht. Neue Arbeits- und Lebenswelten entdeckt, blickt Harry Ziegler, Chefredaktor der Zuger Zeitung zurück und auch voraus.
Und, was nützt uns das nun im neuen Jahr? Nichts, wenn wir nichts draus machen. Der Schweizer Schriftsteller Peter Bichsel erklärte auf die Frage in der NZZ vom 31. Dezember 2020, was wir denn aus der Pandemie lernen werden: «Nichts! Ich glaube nicht, dass wir solidarischer werden. Irgendwann ist der Corona-Spuk vorbei. Und die Schweiz wird immer noch die gleiche sein. Einfach die ersten zwei Jahre mit einem viel zu grossen Lager an medizinischer Grundausrüstung, das dann schon im dritten Jahr aus Kostengründen abgebaut wird.»
Der 85-jährige Peter Bichsel verbreitet mit seiner Antwort ziemlich wenig Zuversicht. Man kann dies einerseits als die Antwort eines alten, ewig linken Mannes nehmen, vom Leben gezeichnet. Man kann es allerdings auch als Denkanstoss sehen: Was, wenn diese Aussage Bichsels tatsächlich eintrifft? Was, wenn wir nicht solidarischer werden? Das macht betroffen. Und ja, wir müssen uns ehrlicherweise eingestehen, die Solidarität hat Grenzen erreicht. Beispielsweise, indem wir in Kauf nehmen, dass wir, wenn wir die Hygieneregeln oder Maskentragpflicht nicht beachten, andere krank machen können.
Brandete anfangs noch Applaus für Pflegende und Helfende auf, ist diese Geste mittlerweile nichts anderes als peinlich. Der Applaus und das diesem zugrunde liegende Zeichen der Anerkennung, ist längst der Gehässigkeit unter Menschen gewichen, die andere Meinungen vertreten. Maskenbefürworter hadern mit Maskenskeptikern, Verschwörungstheoretiker argumentieren sich verbissen an der Realität der Naturwissenschaft ab. Fazit? Die Stimmung in der Gesellschaft wird stetig gehässiger und unversöhnlicher.
Wir werden diesen Riss, der durch die Gesellschaft, auch im Kanton Zug, geht, noch lange sehen. Mindestens so lange, bis nicht grundlegende Lehren aus der Situation gezogen und Fragen beantwortet sind. Beispielsweise: Ist unsere Staatsform in einer Krise die richtige? Ist der Föderalismus zu langsam? Zu chaotisch, eine weltweite Krise zu meistern? Ist unsere Wirtschaftspolitik die richtige? Verpuffen die Milliarden, die ins System gepumpt werden ungenutzt oder überschütten wir gar die Falschen mit Geld? Ist unsere Gesundheitspolitik die richtige? Viele sterben, die Spitäler sind am Anschlag, was läuft schief? Der Kanton Zug hat für sich die Fragen, die sich zum wirtschaftlichen Überleben stellen, schnell beantwortet und reagiert, indem er zusätzliches Geld zur Unterstützung von Betroffenen bereitstellte. Das war wohl richtig, aber es stellt sich dennoch die Frage, ob denn auch alle, die Hilfe nötig gehabt hätten, diese auch erhalten haben.
Schwierig zu beantworten wird die Frage sein: War denn der Schweizer Weg der richtige? Hierzu gehört auch die Frage wie wir uns als Gesellschaft zur Frage stellen, wie wir mit den älteren Mitbürgern umgehen? Gerade sie, die von Corona wohl mit am schwersten betroffen sind, zeigen uns einerseits die Endlichkeit des Lebens auf. Andererseits stellt sich im Umgang mit unseren immer besserwerdenden medizinischen Mitteln, müssen wir Leben um jeden Preis verlängern? Im ganzen Lärm um die Pandemie scheinen alle – vor allem jene, die am lautesten gerufen haben – eine Meinung zu Corona und den Massnahmen zu haben. Nur die Direktbetroffenen, die Seniorinnen und Senioren, sie hat man kaum gehört.
Immerhin: Es scheint ein einigermassen realistisches Szenario zu sein, dass dank der ab heute im Kanton Zug anlaufenden Impfkampagne eine Art Normalität zurückkehrt – trotz Mutation des Virus. Und im besten Fall dürfen wir auch mit ein paar Antworten zu Corona und zur Bewältigung der Krise durch Politik und Gesellschaft rechnen. Wir haben es in der Hand, wie dieses angebrochene Jahr wird. Einerseits, indem wir uns wieder mit gegenseitigem Respekt begegnen (denn dieser kostet nichts) – und uns andererseits gemeinsam auf den Weg machen, ehrlich und offen nach Antworten auf unsere Fragen zu suchen.