Kolumne
«Ürner Asichtä»: Mein Hirngespinst an Weihnachten

Politologe Tobias Arnold über den Zusammenhang von Weihnachten und Politik.

Tobias Arnold, Politologe
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Tobias Arnold hegt eine Faszination für die Passstrassen.

Tobias Arnold hegt eine Faszination für die Passstrassen.

Bild: Urner Zeitung

Was hat sich die «Urner Zeitung» wohl dabei gedacht, mir, dem Politologie-Kolumnist, die Ehre zukommen zu lassen, die «Ürner Asichtä» zu Weihnachten schreiben zu dürfen? Nun, ich bin voller Motivation auf die Suche gegangen, was denn nun Weihnachten mit Politik zu tun haben könnte. Worauf ich gestossen bin? Auf das sogenannte Subsidiaritätsprinzip. Subsi was?

In der Politik meint der Begriff: Die Politik kommt «unterstützend» dort zum Einsatz, wo unser gesellschaftliches Zusammenleben Regeln respektive Gesetze erfordert, aber eben nur dort. Man kann dieses Prinzip auf unser föderales System anwenden: Wo überall möglich, soll unser gesellschaftliches Zusammenleben auf Gemeindeebene geregelt werden. Erst dort, wo dies keinen Sinn mehr macht, soll der Kanton Befugnisse erhalten. Zum Beispiel würde wohl niemand ein Gymnasium in jeder einzelnen Urner Gemeinde einfordern. Und wo auch der Kanton an seine Grenzen stösst, soll der Bund «unterstützend» beigezogen werden. So verfügen wir auch über eine Schweizer Armee und nicht über eine Urner Armee.

Doch der Blick auf die drei Staatsebenen greift eigentlich zu kurz. Nicht alles in unserem Leben wird von der Wohngemeinde, dem Kanton oder dem Bund geregelt. Einen Grossteil unserer Zeit verbringen wir im privaten, familiären Umfeld. Die Familie ist eigentlich die erste Ebene, bevor überhaupt an politische Ebenen zu denken ist. Familien haben eine immens wichtige Funktion in unserer Gesellschaft. Sie geben uns Geborgenheit und sie schaffen Orientierung: Es waren meine Eltern, die mir Anstand beigebracht haben, nicht irgendein staatliches Gesetz. Natürlich: Mit der Herausbildung des modernen Sozialstaats hat der Staat begonnen, wertvolle Leistungen bereitzustellen für Leute, die nicht auf ein engmaschiges familiäres Netz zählen können. Umso dankbarer darf man sein, wenn das System Familie intakt ist. Und einmal im Jahr darf dies gebührend gefeiert werden: an Weihnachten!

Nun mag es wenig besinnlich anmuten, am Weihnachtsfest an so was wie das Subsidiaritätsprinzip oder unterschiedliche Ebenen der Regulierungen unseres Lebens zu denken. Sie dürfen das getrost als Hirngespinst des Politologen abtun, doch machen Sie mir einen Gefallen: Stossen Sie an! Auf Ihre Familie, auf den Halt und die Kraft, die sie Ihnen gibt.

Ach ja, und dies noch: Die Frage, was nun von einer nächsthöheren (politischen) Ebene zu regulieren wäre, was die Familie zu regeln habe und was der Staat, das ist nicht in Stein gemeisselt, das ist Bestandteil politischer Auseinandersetzungen. Die Frage, ob Kindertagesstätten staatlich zu fördern wären, ist ein Paradebeispiel für eine solche Auseinandersetzung. Lassen Sie diese politischen Streitgespräche doch während den Festtagen ruhen und besinnen sie sich auf das Gemeinsame und nicht das Trennende. Das Jahr 2023 wird schnell genug kommen und Zeit genug bieten, um sich dann wieder hitzigen Meinungsdifferenzen hinzugeben, die nebst den Familien eben auch zu unserem demokratischen Zusammenleben gehören.