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Depressionen, Burnout oder Suizidalität: Am Nidwaldner «Träff Berufsbildung» tauschen sich Fachleute und Berufsbildner zu Themen um die psychische Gesundheit aus.
Die Zahlen sind alarmierend: Jeder siebte Heranwachsende zwischen zehn und 19 Jahren weltweit lebt mit einer diagnostizierten psychischen Störung, heisst es in einer aktuellen Unicef-Studie. Und der Druck auf die Jugendlichen wächst, wie man auch beim Berufsinformationszentrum Nidwalden (BIZ) beobachtet: «Das Verhältnis zwischen Ressourcen und Anforderungen ist ungünstig. Jeder dritte Jugendliche in der Schweiz fühlt sich emotional erschöpft», sagte Berufs-, Studien- und Laufbahnberater Luc auf der Maur in der Aula der Berufsfachschule in Stans. Ein bedeutender so genannter Stressor seien unter anderem familiäre Konflikte. «Diese führen zu Angst- und Essstörungen, Depressionen und Selbstverletzungen.»
Auf der Maur war einer der Referenten am Nidwaldner «Träff Berufsbildung», der sich am Dienstagabend dem Thema Psychische Gesundheit widmete. Organisiert wird der «Träff» von der Lehraufsicht des Amts für Berufsbildung und Mittelschule Nidwalden, er findet zum zweiten Mal statt.
Laut Sandra Portmann, Leiterin Berufs- und Studienberatung, ist die Berufswahl ein Prozess, der viel Zeit in Anspruch nimmt, da diese im Spannungsfeld Wunsch und Wirklichkeit steht. «Manchmal kommt es mir vor, als werde die Berufswahl als Wettrennen betrachtet.» Dass sich die Anforderungen erhöht haben und die psychische Gesundheit der Jugendlichen darunter leidet, darüber sprach auch Referentin Katja Schönenberger, die sich als Direktorin bei Pro Juventute für Jugendliche einsetzt. «Für die 5- bis 16-Jährigen steht das Thema <Psychische Gesundheit> als Herausforderung an erster Stelle, da sich das Gehirn im tiefgreifenden Umbau befindet», sagte sie.
Die Covid-Pandemie belastete Kinder und Jugendliche zusätzlich und akzentuierte bestehende Probleme und Ungleichheiten. Das zeigt der am Anlass thematisierte Coronareport von Pro Juventute. «Junge Menschen sind durch die Krise psychisch viel stärker belastet als andere Altersgruppen», sagte Schönenberger. Sie hätten vor allem unter den sozialen Einschränkungen gelitten. Der Austausch mit Gleichaltrigen sei für Kinder und Jugendliche essenziell für ihre persönliche Entwicklung und Identitätsbildung.
Die Zahl der Beratungen auf der Notfallnummer von Pro Juventute «147» waren im ersten Pandemiejahr um 6 Prozent gestiegen und im zweiten gar um 13 Prozent. Anrufe wegen Suizidgedanken haben um ganze 47 Prozent zugenommen. «Solche Zahlen habe ich noch nie gesehen.» Selbst jetzt, wo die Pandemie vorüber sei, seien die Auswirkungen der Pandemie auf die Psyche der Jugendlichen noch spürbar. Und mit der Ukraine-Krise steige die Kriegsangst. Was ist also zu tun?
Zur Prävention riet Schönenberger den Berufsbildnerinnen und Berufsbildnern, Beziehungen aktiv zu gestalten. «Wenn Eltern und Berufsbildner positiv auf das Beziehungskonto einzahlen, kann ein entstandenes Vertrauensverhältnis als Prävention wirken», sagte sie in der gut besetzten Aula. Zum regelmässigen Austausch gehöre positives Feedback, Wertschätzung und Klarheit in der Aufgabenstellung. «Und wenn Jugendliche Fehler machen, sollte man den Lernprozess betonen.» Man müsse alles daransetzen, sie ins Team zu integrieren. Sie riet den Zuhörern, die Gefühle von Jugendlichen ernst zu nehmen und sie nicht zur Rechtfertigung aufzufordern. «Weil junge Menschen häufig gar nicht wissen, weshalb sie etwas getan haben. Besser ist es, über die Zukunft zu sprechen.»
Referent Roland Widmer, Leiter der kantonalen Abteilung Jugend, Familie, Sucht, betonte, dass es nicht bloss darum gehe, Jugendliche auf einen Beruf vorzubereiten. Er sagte:
«Es geht darum, sie auf dem Weg zum Erwachsenenleben zu begleiten.»
Junge Menschen müssen gemäss Widmer fünf Grundfähigkeiten erwerben: die Stärkung des Selbstwertgefühls und der Selbstwirksamkeit, der nötige Glaube also, dass man auch bei Rückschlägen nicht aufgibt; die Fähigkeit, mit eigenen wichtigen Anliegen ins Gespräch zu kommen. Und nicht zuletzt die Selbstdisziplin und Sinnfindung. Dass man sich im Leben also sinnvolle Ziele setzen kann und auch auf diese hinarbeitet. Anhand eines hypothetischen Erstgesprächs auf seinem Amt mit einem Jugendlichen zeigte er auf, wie er in seiner Funktion auf die Erfüllung dieser Aufgaben hinarbeitet.
Unter den Anwesenden befand sich auch der Nidwaldner Bildungsdirektor Res Schmid. Er dankte den Anwesenden für ihr Engagement und lobte das duale Schweizer Bildungssystem. Pius Felder, Vorsteher des Amtes Berufsbildung und Mittelschulen, rekapitulierte die wichtigsten Punkte des Abends und strich nochmals hervor, wie wichtig es sei, Veränderungen bei Jugendlichen zu beobachten. «Man muss wachsam sein und Probleme lieber früh als spät ansprechen.» Berufsbildner sollen keine Diagnosen erstellen, sondern die Jugendlichen an Fachleute vermitteln. «Aufgaben haben Höhen und Tiefen. Aus den Tiefen lernt man oft sehr viel.» Die wichtigste Botschaft an Jugendliche mit psychischen Problemen sei: «Ihr seid nicht alleine!»