Mit sogenannten Superblocks könnte Luzern das Verkehrsregime in der Innenstadt anpassen. Ob das kleinräumige Luzern überhaupt dafür taugt, soll nun eine studentische Arbeit klären.
Hirschmatt, Neustadt oder Säli/Bruch – diese Quartiere bestehen vorwiegend aus typischen Blockrandrandbebauungen der Gründerzeit. Nirgendwo ist Luzern urbaner, dichter. Entsprechend gibt es nur wenig Grün. In den Freiräumen dominieren Asphalt und vor allem: das Auto; sei es unterwegs auf der Strasse oder abgestellt auf Parkplätzen.
Um dies zu ändern, fordert die SP-Fraktion in einem Postulat die Prüfung von sogenannten Superblocks nach dem Vorbild von Barcelona. Sie stützen sich dabei auch auf eine Masterarbeit, die das Potenzial von Superblocks für Zürich analysiert hat und zum Schluss kommt, dass gerade für die Begrünung und damit für das Klima viel erreicht werden kann.
Auf Katalanisch heisst der Superblock Superilla – und so funktioniert das Ganze in der Mittelmeer-Metropole: Bis zu neun Häuserblocks werden zusammengefasst. Innerhalb dieser Superblocks haben zu Fuss Gehende und Velofahrende Vortritt:
Man kann auf den Strassen Flanieren, Spielen, Chillen. Zudem sorgen Hochbeete, Pflanzentröge und Bäume für Grün:
Das Auto hat – wenn überhaupt – noch eine Spur zur Verfügung, und das Tempo beträgt maximal 10 bis 20 Stundenkilometer. Der Autoverkehr wird auf übergeordneten Achsen rund um den «Superblock» geführt.
Bei der Einführung des ersten Superilla 2017 gab's noch Widerstand von Ladenbesitzern und Anwohnenden. «Inzwischen wollen alle am liebsten im Inneren einer Superilla leben – wir haben Petitionen aus ganz Barcelona, das ist jetzt sehr beliebt», sagt Xavi Matilla, Chefarchitekt der Stadtverwaltung Barcelona zum «Spiegel»-Magazin. Zumal der Autoverkehr wegen eines Superblocks in der Umgebung nicht zusammenbreche, denn die Auswirkungen seien laut Erhebungen gering. Auch kam es dem Vernehmen nach nicht zu einem Lädelisterben – im Gegenteil: Die Anzahl Geschäfte hat in diesen Gebieten gar zugenommen.
Für den Luzerner Stadtrat ist der Gedanke der Superblocks «eine prüfenswerte Idee». Er initiiert deshalb eine entsprechende studentische Arbeit. Dies schreibt er in seiner Antwort auf das SP-Postulat und nimmt dieses entgegen. Die Stadt habe bereits eine Aufgabenstellung bei verschiedenen Hochschulen, unter anderem der ETH, eingebracht.
Nebst dem Begrünungspotenzial im Hinblick auf den Klimawandel geht es ihr um die Auswirkungen auf das gesamte Verkehrssystem sowie die damit verbundene strassenräumliche Freiraumgestaltung. Und schliesslich: Was gibt es für Alternativen zu Barcelonas Superblocks?
Dort Barcelona, die Millionen-Metropole mit Hunderten Häuserblocks, hier die Kleinstadt Luzern, wo ein Superblock bereits die halbe Neustadt umfasst – vergleicht man da nicht Äpfel mit Birnen? Baudirektorin Manuela Jost (GLP) sagt:
«Natürlich hinkt der Vergleich und dennoch sehen wir Ansätze, die zu prüfen es sich lohnt.»
Vielleicht könne man zumindest Teile des Superblocks-Gedanken adaptieren. Es gehe jetzt einzig darum, Überlegungen anzustellen und Studierende hätten hierfür einen offenen Blick. «Es wird sich zeigen, ob und wie Barcelonas Superblock-Prinzip auf das deutlich kleinräumigere Luzern angewendet werden kann», sagt Jost.
Würde die Stadt damit den motorisierten Individualverkehr einmal mehr weiter aus der Innenstadt zurückdrängen? «Das muss nicht unbedingt sein», so Jost. «Man kann auch Trottoirbereiche punkto Aufenthaltsqualität und Stadtklima aufwerten. Schlussendlich bleibt der öffentliche Raum aber begrenzt und wir müssen gemeinsam aushandeln, wie viel Platz wir für was zur Verfügung stellen wollen und können.»
Nur: Wenn die Stadt die Aufenthaltsqualität steigert, geht es in der Regel schon auf Kosten des Autos. Ein Beispiel ist die temporär für Autos gesperrte Waldstätterstrasse vor der Migros – aufgrund eines politischen Vorstosses ein Pilotversuch für vier Jahre. Jost: «Dieser Pop-up-Park kommt bei der Bevölkerung sehr gut an und durch die Sperrung hat sich der Autoverkehr auf den umliegenden Strassen nur unwesentlich verändert.» Der Pilotversuch werde wichtige Erkenntnisse für die strassenräumliche Freiraumgestaltung liefern.
Erfreut über die Antwort des Stadtrats zeigt sich SP-Grossstadtrat Yannick Gauch, der den Vorstoss mitunterzeichnet hat: «Gewiss hat Luzern eine andere Dimensionen als Barcelona, dennoch könnte es etwa in der Neustadt Potenzial für einen Superblock geben.» In Frage kommt für ihn etwa das Sperren von Strassen für den Durchgangsverkehr ganztags oder auch nur zu bestimmten Zeiten: «Das kann abends sein oder auch nur im Sommer, damit’s mehr Platz hat für Boulevard-Cafés.» Begrünte und belebte Strassen kämen letztlich auch dem Gewerbe zu Gute:
«Wo man sich gerne aufhält, wird auch eher eingekauft.»
Skeptisch beurteilt Alexander Stadelmann, Geschäftsführer der TCS-Sektion Waldstätte, die Superblock-Idee: «Die Metropole Barcelona ist mit dem kleinräumigen Luzern nicht im Ansatz vergleichbar.» Er ist überzeugt, dass sich bei Sperrungen – auch nur zu bestimmten Zeiten – der Verkehr einfach auf die umliegenden Strassen und Quartiere verlagert. Und da gebe es in Luzern – anders als in Barcelona – aufgrund der beschränkten Fläche nur wenig Ausweichmöglichkeiten. Er sagt:
«Das wiederum würde auf den Strassen rundherum den ÖV massiv schwächen, die Verkehrssicherheit beeinträchtigen und wäre mit Blick auf die zufahrenden Umwege zusätzlich schlecht für die Umwelt.»