Die Curling-Equipe um Skip Yannik Schwaller sagt der Konkurrenz den Kampf an. Dank mehr Rotation soll das Team nicht nur an die Olympischen Winterspielen 2022 in Peking, sondern darüber hinaus nach Gold greifen. Nach einem Sommertraining und den ersten Wettkämpfen ist nun klar: Die neue Technik funktioniert.
An Selbstvertrauen fehlt es den Curlern von Bern Zähringer nicht. Der Solothurner Skip Yannick Schwaller, die beiden Aargauer Marcel Käufeler und Romano Meier sowie der Appenzeller Michael Brunner peilen offen die höchsten aller Ziele an. Olympiasieger wollen sie werden, die Weltbesten in ihrer Sportart sein.
Selbstbewusstsein, wenn nicht gar eine gehörige Portion Mut benötigte eine andere Entscheidung, welche das Team im Frühling fällte. Ausgerechnet vor dem Olympiawinter die eigene Technik umzustellen, ist keine Empfehlung aus dem Trainingslehrbuch.
Auch von diesem riskanten Unterfangen sind die vier eingeschworenen Teamkollegen felsenfest überzeugt. Sie haben sich entschieden, die Rotation des Steins auf dem Weg ins Haus massiv zu erhöhen – von den üblichen 3,5 bis 4 Rotationen auf 6 bis 7 Rotationen. Es dreht sich also im Hinblick auf Olympia einiges etwas schneller im Spiel von Schwaller und Co.
Abgeschaut haben die Schweizer diese im Curling noch unübliche Technik beim jungen schottischen Team von Bruce Mouat. Dieser war mit den stärker rotierenden Steinen der dominierende Curler des vergangenen Winters, gewann WM-Silber und die beiden Grand-Slam-Turniere mit 13:1-Siegen.
Mouat selber prognostizierte der Konkurrenz, sie würde beim Versuch, seine Geheimwaffe in Richtung Olympia zu kopieren, gnadenlos scheitern. Das Team Schwaller war anderer Meinung, opferte die Ferien im Juni und exerzierte stattdessen in der Curlinghalle Baden die neue Technik mit äusserster Disziplin und Durchhaltewillen.
Inzwischen ist sich das Quartett hundertprozentig gewiss, das Richtige getan zu haben und künftig über einen Vorteil gegenüber den anderen Teams zu verfügen. «Die neue Technik verschafft uns mehr Kontrolle und weniger Überraschungen. Die Steine laufen ein wenig anders», erklärt Yannick Schwaller. Man habe bereits eine grosse Sicherheit mit dem geänderten Spiel.
Dass sie ja auch mit der herkömmlichen Technik bereits zu den Weltbesten gehörten, lässt man als Einwurf nicht gelten. «Auch ein Roger Federer ändert seine Technik im Verlauf der Karriere», sagt Romano Meier. «Man überlegt sich als Sportler stets, wie man sich verbessern kann», fügt Yannick Schwaller an.
Ein entscheidender Trumpf soll die verdoppelte Rotation insbesondere in den Olympia-Trials vom 22. bis 25. September in Biel sein. Im Duell mit dem Schweizer Dauerrivalen Peter De Cruz aus Genf wird der Startplatz in Peking ausgespielt. Die letzten beiden Duelle an den Schweizer Meisterschaften und den WM-Trials gingen an De Cruz.
Das Team Schwaller will den Eindruck vermeiden, sich zu stark auf dieses Duell zu versteifen. «Wir haben uns beim Entscheid, die Technik umzustellen, gefragt, wie wir Olympiasieger werden. Nicht, wie wir Peter De Cruz schlagen», sagt Marcel Käufeler mit Nachdruck. «Der wichtigste Schlüssel zum Erfolg wird sein, uns auf die eigene Leistung zu fokussieren», fordert Yannick Schwaller.
Aber selbstverständlich erhofft man sich einen gewissen Überraschungseffekt in diesem bedeutungsvollen Best-of-7-Duell. Schliesslich muss der Verlierer vier Jahre auf die nächste Olympia-Chance warten. Bewusst wurde das Vorhaben nicht kommuniziert. Denn inzwischen ist es für die Konkurrenz definitiv zu spät, um für den anstehenden Winter nachzuziehen.
Fürs Selbstvertrauen gut war auch die Wettkampf-Premiere der doppelt rotierenden Steine. Am Baden Masters Mitte August blieb das Schwaller-Team ungeschlagen, besiegte im Final den Dauerrivalen De Cruz deutlich mit 6:3. Und beim ersten Turnier der European Super Serie im schottischen Stirling – quasi in der Brutstätte der neuen Technik von Skip Bruce Mouat – schlug man nicht nur «das Original» gleich mit 8:2 und den schwedischen Weltmeister Niklas Edin mit 7:3, sondern holte beim zweiten Wettkampf der Saison souverän den zweiten Turniersieg. Inzwischen liegt die Bilanz des Teams Schwaller bei 14:1-Siegen.
Die Technik soll aber nicht der einzige Trumpf der Vize-Europameister von 2019 sein. Der Teamgeist und das Verhältnis untereinander nennen die vier als ebensolche Stärken. «Wir sind auf unserem Weg noch mehr zusammengewachsen», stellt Käufeler fest. Und Michael Brunner ergänzt: «Es ist der Mix, der uns stark macht: Einerseits die gegenseitigen Ansprüche und andererseits die Toleranz untereinander.» Man habe das Vertrauen, dass jeder alles für den sportlichen Erfolg investiere, auch wenn der Weg dazu für jeden ein anderer sei.