Pro & Contra
Strengere Tierschutzvorschriften? Claudia Friedl und Markus Ritter sind geteilter Meinung bei der Massentierhaltungsinitiative

Am 25. September stimmt die Schweiz über die Massentierhaltungs-Initiative ab. Wird die Vorlage angenommen, müssen Landwirte künftig noch strengere Tierschutzvorschriften einhalten. SP-Nationalrätin Claudia Friedl befürwortet die Initiative, Mitte-Nationalrat Markus Ritter ist dagegen.

Chiara Stäheli
Drucken
SP-Nationalrätin Claudia Friedl befürwortet die Initiative, Mitte-Nationalrat Markus Ritter ist dagegen.

SP-Nationalrätin Claudia Friedl befürwortet die Initiative, Mitte-Nationalrat Markus Ritter ist dagegen.

Bilder: Keystone

PRO: Claudia Friedl, SP-Nationalrätin

Nationalrätin Claudia Friedl (SP/SG).

Nationalrätin Claudia Friedl (SP/SG).

Bild: Keystone

Auf Plakaten und im Fernsehen werben Grossverteiler und die Organisation «Schweizer Fleisch» mit traditionellen Bauernhöfen und glücklichen Tieren für ihre Produkte. Es ist aber leider nicht überall so, dass die Nutztiere freien Auslauf haben. Die Hälfte des Mastviehs und ein Drittel der Mastschweine bleiben ihr kurzes Leben lang im Stall. Der Trend zur industriellen Massentierhaltung setzt sich auch heute noch weiter fort. Die Massentierhaltungsinitiative fordert nichts anderes, als was die Werbung vorgibt: Mehr Tierwohl für die Nutztiere durch eine tierfreundliche Unterbringung und Pflege, Auslauf ins Freie, eine maximale Gruppengrösse sowie eine schonende Schlachtung.

Gemäss Bundesrat wären nur rund 5 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe von der Initiative betroffen. Dazu gehören Mastbetriebe, die zurzeit bis zu 27’000 Hühner, 1’500 Schweine oder 300 Rinder in einem Stall halten. Zu viele Tiere auf engem Raum verursachen Probleme in der Tiergesundheit und der Nachhaltigkeit. Es braucht mehr Medikamente und Mastfutter. Beides belastet die Umwelt und die Böden.

Die Landwirtschaft hat die herausfordernde Aufgabe, wirtschaftlich zu produzieren. Ein starker Preisdruck besteht heute durch ausländisches Fleisch aus Billigproduktion, welche immer zulasten des Tierwohls geht. Und genau hier setzt die Initiative an: Sie stellt an importiertes Fleisch die gleichen Anforderungen wie an die einheimische Produktion. Das stärkt die Position unserer Bauern, weil sie bereits die besten Voraussetzungen für eine Tierhaltung, welche dem Tierwohl entspricht, haben. Zudem lässt die Initiative den Bauern 25 Jahre Zeit für die vollständige Umsetzung. Es kann also keine Rede von einer Hauruck-Aktion sein. Für uns Konsumentinnen und Konsumenten kann es heissen, dass wir weniger Fleisch essen, aber dafür nachhaltiger produziertes, womit auch dem Klima gedient ist. Eine breite Allianz aus Tierschutz-, Tierrechts-, Landwirtschafts- und Umweltorganisationen unterstützt das Anliegen.

CONTRA: Markus Ritter, Mitte-Nationalrat

Nationalrat (Mitte/SG) und Biobauer Markus Ritter.

Nationalrat (Mitte/SG) und Biobauer Markus Ritter.

Bild: Keystone

Das Tierwohl liegt uns Bauernfamilien am Herzen. Es ist ein essenzieller Pfeiler der einheimischen Nutztierhaltung. Tiergerechte Haltungsbedingungen sind die Voraussetzung für gesunde Tiere und damit eine wirtschaftliche Produktion von Fleisch, Milch oder Eiern. Die Frage dreht sich bei der Massentierhaltungsinitiative also darum, welche Art der Tierhaltung ethisch vertretbar ist.

Für radikale Veganer ist alles, was mit der Nutzung von Tieren zu tun hat, verwerflich. Dieses Denken greift aber im bergigen Grasland Schweiz zu kurz. Die Initianten der Massentierhaltungsinitiative finden, dass eine Haltung dann in Ordnung ist, wenn sie mindestens den Vorgaben von Bio Suisse entspricht. Deshalb möchten sie diese für alle tierischen Lebensmittel zur Bedingung machen. Tierische Lebensmittel würden sich bei einer Annahme um 20 bis 40 Prozent verteuern. Eine vierköpfige Familie hätte Mehrkosten von rund 1800 Franken pro Jahr.

Warum sind wir Bauernfamilien dagegen? Der Grund ist einfach: Es gibt bereits ausreichend tierische Produkte auf dem Markt, welche diese oder noch strengere Auflagen erfüllen. Und das Angebot ist nicht zu knapp, im Gegenteil! Die Frage ist vielmehr, warum wird nicht mehr davon gekauft? Das dürfte zum einen am höheren Preis liegen, den nicht alle zahlen wollen oder können. Es liegt aber auch daran, dass unser Tierwohl-Niveau generell sehr hoch ist. Wir können ohne Übertreibung sagen, dass es unseren Nutztieren so gut geht, wie nirgendwo sonst auf der Welt. Das verdanken wir unter anderem den freiwilligen Tierwohlprogrammen «regelmässiger Auslauf im Freien» und «besonders tierfreundliche Stallhaltung», die beide sehr verbreitet sind. Als einziges Land der Welt kennen wir zudem eine gesetzliche Obergrenze für die Anzahl Tiere pro Betrieb bei Hühnern, Schweinen und Kälbern. Zudem steht jedem Tier gleich viel Platz zur Verfügung, unabhängig der Herdengrösse.

Deshalb ist die Massentierhaltungsinitiative unnötig. Sie würde die einheimische Lebensmittelproduktion reduzieren und verteuern, mehr Importe nötig machen und den Einkaufstourismus befeuern. Deshalb ein klares Nein am 25. September!