Nächstes Jahr wird der Ceneri-Tunnel eröffnet. Die Chefs der SBB, der Deutschen und Italienischen Bahn setzen grosse Hoffnungen in das Bauwerk.
Zuerst wurde der Lötschberg-Tunnel eröffnet, dann folgte der Gotthardtunnel – und im Dezember 2020 soll das Gesamtkunstwerk Neat (Neue Eisenbahn-Alpentransversale) durch den Ceneri vollendet werden. Rund 23 Milliarden Franken kostet die Neat insgesamt; das letzte Herzstück, eben der Tunnel im Tessin, schlägt mit rund 2 Milliarden zu Buche.
An dem 15 Kilometer langen Ceneri-Basistunnel wird seit 2006 gebaut. Die Röhre, die den nördlichen und den südlichen Teil des Tessins verbindet, ist für die italienische Schweiz von grosser Bedeutung, verkürzt sie doch die Reisezeit zwischen Locarno und Lugano von 55 auf 22 Minuten.
Vor allem aber spielt der Ceneri eine zentrale Rolle im europäischen Güterverkehr. Darauf haben SBB-Chef Andreas Meyer und sein Kollege von der Deutschen Bahn in München hingewiesen, wo sie eine gemeinsame Absichtserklärung «Chance Ceneri 2020» abgegeben haben. Auch der Chef der Italienischen Staatsbahn hat die Erklärung unterschrieben.
«Wir wollen für Güter und Reisende die Fahrzeiten verkürzen, mehr Kapazitäten schaffen und die Pünktlichkeit erhöhen», sagte Meyer. Deutsche-Bahn-Chef Richard Lutz sprach von einem «Quantensprung für Europas Mobilität»: «Mit der Fertigstellung der Neat wird der nächste wichtige Meilenstein für den gesamten Rhein-Alpen-Korridor von Rotterdam und Antwerpen bis Genua realisiert.»
Was heisst das für die Kunden konkret? Die Bahnchefs versprechen spürbare Verbesserungen für den Personen- wie den Güterverkehr:
Allerdings wird die «Vision einer europäischen Güterbahn» (Meyer) nur funktionieren, wenn nicht nur die Schweiz liefert – was sie mit dem Gotthard- und Ceneri-Tunnel tut. Sondern wenn auch Deutschland und Italien ihre Strecken ausbauen. Und das dauert: Auf deutscher Seite wird der Neu- und Ausbau der Neat-Zulieferstrecke wohl erst 2035 abgeschlossen sein. Es handelt sich um die 180 Kilometer lange Rheintalstrecke zwischen Karlsruhe und Basel.
Auf italienischer Seite waren die Verspätungen lange notorisch, doch jüngst versprachen die italienischen Behörden, die drei grossen Zufahrtsstrecken zur Neat sollten bis zur Inbetriebnahme des Ceneri-Tunnels fertiggestellt sein. Und auch weiter südlich soll es vorwärtsgehen, wie Gianfranco Battisti beteuert, der Chef der Staatsbahn FS Italiane: «Nach der Neat wird das Projekt Terzo Valico in Italien zum zentralen Element auf dem Rotterdam-Genua-Korridor.»
In der Vergangenheit scheiterten wiederholt Versuche der drei Bahnen, dem Schienengüterverkehr zum Durchbruch zu verhalten. Diesmal werde es funktionieren, glaubt SBB-Chef Meyer. Entscheidend seien drei Faktoren: Erstens eine gute Kooperation aller Beteiligter, zweitens reservierte Trassen für den Güterverkehr und drittens Pünktlichkeitsmessungen der Güterzüge auf der ganzen Achse.