Oliver Frischknecht unterrichtet in Rorschach Logopädie. Daneben ist er auf den grossen Musicalbühnen im In- und Ausland zu Hause, aktuell auch in St.Gallen.
Sein Kostüm ist pompös, sein Kopfschmuck auffällig, seine Mimik königlich: Oliver Frischknecht spielt derzeit im Musical «Lady Bess» am Theater St.Gallen den britischen Monarchen Heinrich VIII. Für ihn hat sich damit ein Wunsch erfüllt. Der Musicaldarsteller ist schon in vielen Rollen im In- und Ausland aufgetreten, jetzt das erste Mal in St.Gallen. «St.Gallen ist das Musicaltheater Nummer 1 in der Schweiz», sagt der gebürtige Herisauer. Er spielt die Heinrich-Rolle erst seit kurzem – und sie gefällt ihm. «Ich spiele gerne historische Figuren.»
Ein Blick in Frischknechts Bühnentätigkeit bestätigt dies: Im Sommer 2016 verkörperte er beispielsweise den Kaspar und Schattenmann bei der Neuinszenierung von Ludwig2 im Festpielhaus Füssen, an den Thuner Seespielen 2011 den Sepp in «Gotthelf». Seine aufregendste Rolle sei die Hauptrolle als Conférencier in «Cabaret» in Leipzig gewesen. «Ich habe nach zwölf Jahren als Musicaldarsteller gemerkt, dass ich mehr will, als nur von Casting zu Casting zu gehen», sagt Frischknecht, der 16 Jahre lang in Hamburg gelebt hat und 2016 in die Schweiz zurückgekehrt ist.
Allerdings nicht ins Appenzellerland – sondern nach Zürich, wo heute sein Lebensmittelpunkt ist.
Trotzdem reist er wegen «Lady Bess» und einer weiteren Tätigkeit regelmässig in die Ostschweiz: Seit vergangenem Jahr ist der 43-Jährige Dozent an der Schweizer Hochschule für Logopädie in Rorschach. Er hat selber dort Logopädie studiert, erfolgreich abgeschlossen und wurde angefragt, als Lehrer zu unterrichten. Er habe dieses Angebot sehr gerne angenommen.
Bis Ende März steht Frischknecht noch in St.Gallen auf der Bühne, ab dem 20. Mai bis am 24. Juni wird er die Hauptrolle als Bösewicht Gustav im Musical «Helvetica» in der Lokremise Buchs spielen; eine der grössten Sprechrollen in seiner bisherigen Karriere. Der Ostschweizer wird danach erst einmal wieder seiner Haupttätigkeit als Stimmtherapeut im SingStimmZentrum Zürich nachgehen.
Dieses Zentrum sei die grösste auf erkrankte Stimmen spezialisierte Facheinrichtung der Schweiz. «Es gibt so viele Sängerinnen und Sänger mit Stimmstörungen», erzählt Frischknecht. Die Therapie-Nachfrage sei riesig. Er habe sich auf den Bereich «moderner Gesang» spezialisiert. Seine Kenntnisse als Logopäde sind zudem am Spital Limmattal in Zürich gefragt, bei Patienten, die zu viel Luft schlucken und in der Folge konstant rülpsen müssen; bis zu 20 Mal in der Minute.
«Es ist eine ernst zu nehmende Störung, die durch gezielte Therapie Lebensqualität zurückgeben kann», sagt der Spezialist. Der Herisauer liebt alle seine Tätigkeiten, auf der Bühne oder vor Studierenden zu stehen, Menschen mit Stimm- und Schluckproblemen zu unterstützen. Unter dem Titel «Reset Your Voice» hat Frischknecht ein Therapieprogramm mit Übungseinheiten zur stimmlichen Rehabilitation von Sängern und Sängerinnen mit funktionellen Stimmstörungen geschrieben.
Oliver Frischknecht ist in Herisau aufgewachsen und hat dort, bis er 20 Jahre alt war, im Saum gelebt. Nach Abschluss der Kantonsschule in Trogen wechselte der Appenzeller ins Lehrerseminar in Kreuzlingen, belegte auf Drängen seiner Schulkollegen das Freifach Musical und hat mit ihnen «Anatevka» einstudiert. «Wir waren so eine coole Truppe», erinnert er sich. Es habe grossen Spass gemacht, auf der Bühne zu stehen.
Das Schicksal des Herisauers war damit besiegelt, er habe Gesangsunterricht genommen und nach der Ausbildung als Lehrer allen Mut zusammengenommen und sich bei der Stella Academy in Hamburg beworben. Das hat geklappt – wenig später ging die Schule allerdings Konkurs und der Schweizer stand auf der Strasse. Frischknecht hat nicht aufgegeben und sich bei der London School of Musical Theatre beworben, bekam einen Ausbildungsplatz und wechselte anschliessend an die Joop van den Ende Academy in Hamburg. 2006 startet er seine Profi-Musicalkarriere mit der Rolle des Combeferre in «Les Misérables».
2010 war er zum ersten Mal in der Schweiz zu sehen; im Schweizer Musical «Ewigi Liebi» wurde er als Walk-in-Cover für die drei jugendlichen männlichen Hauptrollen «Daneli», «Hanspeter» und «Baschti» engagiert. Danach schlüpfte er in die Rolle von John Lennon im Musical «With a Little Help» am Theater Pforzheim. So folgten Casting um Casting, Rolle um Rolle, Auftritt um Auftritt, und Oliver Frischknecht kam zum Schluss, dass er auch therapeutisch und pädagogisch tätig werden wollte.
«Manchmal ist es gar nicht so einfach, die Berufe Gesangspädagoge, Stimmtherapeut, Sänger und Schauspieler unter einen Hut zu bringen», sagt er mit einem Schmunzeln. Gibt es dennoch eine Musicalrolle, die er gerne spielen würde? Er überlegt und antwortet: «Meine Stimme ist jetzt mit 43 Jahren in Topform. Ich würde gerne noch einmal den Conférencier in Cabaret spielen.»