Nach 35 Jahren soll Schluss sein. Ruedi Tobler aus Walzenhausen zieht ins Tessin und will darum von allen Ämtern in der Deutschschweiz zurücktreten. Auch das Amt im Friedensrat gibt er ab. Für den Frieden hat er sich immer stark engagiert. Er nahm dafür auch Gefängnisstrafen in Kauf.
Seit rund 35 Jahren ist Ruedi Tobler aus Walzenhausen Präsident des Schweizerischen Friedensrates. Eine bedeutungsvolle Aufgabe, ein Ehrenamt. Doch nun soll Schluss sein. Tobler zieht ins Tessin und will darum von all seinen Ämtern in der Deutschschweiz zurücktreten.
Noch sichtet er die Unterlagen im Büro seines Appenzeller Bauernhauses im Ortsteil Lachen. «Wie lange das dauert, wüsste ich auch gerne», so Tobler schmunzelnd. Eigentlich ist er in seiner neuen Heimatgemeinde Astano nahe der Grenze zu Italien schon gemeldet. Der Umzug ist aber noch nicht vollzogen.
Die Suche nach einer Nachfolge läuft. Bewerbungen sind noch keine eingetroffen. Das sei aber nicht gravierend. «Wir setzen uns nicht unter Druck», so der Amtsinhaber weiter. Der Ukrainekonflikt sorgt für grundlegende Veränderungen in der Friedensarbeit. In den 90er-Jahren waren in Ex-Jugoslawien die letzten kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa. Seitdem konzentrierte sich die Arbeit des Friedensrates auf die Situation der Geflüchteten.
«Jetzt gibt es aber Umwälzungen, deren Auswirkungen niemand abschätzen kann», so Tobler. Veränderungen, von welchen auch die Arbeit im Friedensrat betroffen ist. Tobler ist froh, wenn er das Amt in guten Händen weiss. «Ich werde heuer 75 Jahre alt. Es ist Zeit, dass eine neue Generation diese Aufgabe übernimmt.» Wie hoch das Pensum genau ist, kann er nicht abschätzen. Seit der Pensionierung 2008 hätte die Arbeit im Friedensrat sein Hauptengagement gebildet. Vorgängig arbeitete er Teilzeit.
Wenn er zurückblickt, sind einige Ereignisse gegenwärtig: Die Friedensdemonstration in Bern für eine nukleare Abrüstung 1981 mit rund 40’000 Teilnehmenden, und zwei Jahre danach die noch stärker besuchte «Friedenskette» zwischen der russischen und amerikanischen Botschaft.
Die Initiative stammte zwar von einer Gruppe Studenten, doch war der Friedensrat an der Organisation beteiligt. Aktiv war er auch im Projekt «Schaffung einer Menschenrechtskommission», im ein- bis zweimal monatlich durchgeführten Café de la paix in Zürich und im Zivildienstkomitee. «Wir sind an vielen Projekten beteiligt, haben aber kaum eigene. Das macht es schwierig, unser Profil zu schärfen», so Tobler.
Ruedi Tobler ist in einer religiös-sozialen Familie in Zürich aufgewachsen. Er kam schon früh zur Friedensarbeit. 1963 war der erste Ostermarsch der Atomwaffengegner in der Schweiz. Weil der Vater den Söhnen sagte, er übernehme die Kosten, wenn sie gingen, nahm Ruedi Tobler als 16-Jähriger teil.
Er war zwar gegen Atomwaffen, sah aber nicht ein, weshalb man deswegen von Lausanne nach Genf marschieren sollte. Da er jedoch noch nie in Genf gewesen war, dachte er, so günstig komme er nicht wieder dorthin.
Der Schweizerische Friedensrat wurde 1945 als Dachverband pazifistisch oder aussenpolitisch ausgerichteter schweizerischer Organisationen gegründet, die sich für eine politische Öffnung der Schweiz nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzten. Damals hatte der Friedensrat vier Ziele: den Beitritt der Schweiz zur UNO, das Ungleichgewicht zwischen Nord und Süd auszumerzen, das Kriegmaterialausfuhrverbot und die Einführung des Zivildienstes zu erwirken. Heute ist er in verschiedenen Bereichen aktiv. Finanziert wird er durch Mitgliederbeiträge, Abos und Spenden. (pd)
Es waren etwa 600 Personen, die teilnahmen. Da sie nicht am See entlang marschieren durften, wählten sie einen Weg durch Wiesen, Rebberge und Wälder. Der Kontakt untereinander war intensiv. Beim Einmarsch in Genf trug der auch einst skeptische Ruedi Tobler ein Transparent. Ihm habe es den «Ärmel reingenommen», wie er sagt. Fortan war er engagiert für den Frieden, je länger, desto umfassender.
So kam es für ihn auch nicht in Frage, Militärdienst zu leisten. Die Verweigerung von Militär- und Zivilschutzdienst wie auch der Bezahlung von Militärpflichtersatz hatte ihm insgesamt 16 Verurteilungen und 12 Gefängnisaufenthalte eingebracht, den letzten 1991 in Halbgefangenschaft in der Strafanstalt Gmünden.
Mit dem Beginn der KV-Lehre 1966 trat er den Juso bei und war seitdem in der SP engagiert, vertrat sie während eines Jahres auch im Ausserrhoder Kantonsrat. Im Frühjahr 1972 heiratete er Verena Elmer, das Paar bekam drei Kinder und lebte seit 1986 in Walzenhausen. Von dort aus betreute Tobler dann die Redaktion der Zeitschrift vpod-bildungspolitik. Er wurde Vorstandsmitglied von humanrights.ch und hat bei NGO-Berichten zur Umsetzung von UNO-Menschenrechtskonventionen mitgearbeitet. Tobler:
«Frieden ist mehr als Nicht-Krieg. Menschenrechte und Demokratie gehören ebenfalls dazu.»
In der Ostschweiz war er am Aufbau der «Friedens-Stationen» beteiligt, dem Weg von Heiden nach Walzenhausen mit Stationen zu Persönlichkeiten, die sich für Frieden, Menschenrechte und Demokratie eingesetzt haben. Seit 2014 findet jährlich in St.Gallen eine Kundgebung zum UNO-Friedenstag (21. September) statt, an deren Organisation Tobler beteiligt ist. Und bei der Soligruppe Syrien-Kurdistan macht er mit, die vor allem Informationsarbeit zum Krieg gegen die Kurden leistet.
Seit 2014 ist er beteiligt am Aufbau der Ostschweizer Ombudsstelle für Kinderrechte (omki), die letztes Jahr ihre Arbeit aufnehmen konnte. Und selbstverständlich darf auch der Ostermarsch nicht fehlen. Mit Unterbrüchen gibt es seit 1988 den Dreiländer-Bodensee-Friedensweg. Derzeit laufen die Vorbereitungen für den 10. April 2023, wo er in Heiden stattfinden wird.