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Meinung
Leserbriefe ZZ
«Werdet mal erwachsen!», Ausgabe vom 17. März
Oswald Grübel gilt als Ikone der Schweizer Bankenlandschaft, der als CEO sowohl die Credit Suisse als auch die UBS durch schwere Krisen navigiert hat. Zweifellos verfügt der Mann über eine gewaltige Erfahrung, die ihn im wohlverdienten Ruhestand legitimiert, zu Banken- und Börsenkrisen seine Meinung kundzutun.
Im Zusammenhang mit der Existenzkrise der Credit Suisse fährt Grübel schweres Geschütz auf. So tadelt er seine Nachfolger, die in den letzten zehn Jahren einen schlechten Job gemacht und versagt hätten. Daran besteht kein Zweifel, denn Archegos, Greensill und einige Geldwäschereifälle führten zu Milliardenverlusten und existenzbedrohenden Bussen-Zahlungen. Aber so wenig, wie es sich für eine Bundesrätin oder einen Bundesrat ziemt, sich schulmeisterlich über ihre Nachfolger zu äussern, steht dies Oswald Grübel zu – zumal er diese teilweise selber hochgezogen hat.
Geradezu ätzend ist die Tatsache, dass Grübel staatliche Hilfe für Grossbanken als selbstverständlich erachtet. Gegenüber der «Handelszeitung» sagte er: «Moment, wofür ist denn die Nationalbank da? In keinem Land der Welt wird so ein Zirkus gemacht wie in der Schweiz, wenn die Nationalbank mit Liquidität helfen muss.» In dieser Zeitung doppelte der Altmeister nach: «Die SNB kann 100 Milliarden in den Sand setzen, und niemand sagt etwas, aber bei den 50 Milliarden Liquiditätshilfe für die CS gibt es einen Aufschrei… Werdet mal erwachsen!»
Die Aussagen des früheren Bankchefs sind grotesk und widerlich zugleich. Abkassieren, wenn die Gewinne sprudeln, aber den Staat um Hilfe rufen, sobald es brennt. Da kann es wahrlich nicht überraschen, wenn die Linke die so wunderbare Marktwirtschaft torpediert und nach immer mehr Staat und Regulierung ruft.
Oswald Grübel ist ein Glückspilz mit herausragendem Timing in seiner CEO-Ära. Bei der Credit Suisse trat er den Chefposten auf einem absoluten Tiefpunkt im Jahr 2003 an. Notabene nachdem die Bank, krisengeschüttelt durch die 9/11-Dotcom-Blase, am Boden lag – es konnte im Zuge der sich erholenden Märkte nur noch aufwärtsgehen. Seinen Abgang vollzog er im Jahr 2007, kurz bevor die Bank in die nächste Krise schlitterte.
Bei der UBS übernahm er das Ruder am Ende der Finanzkrise im Frühjahr 2009, nachdem die Bank vom Staat gerettet werden musste. Mit frischem Geld und wieder freundlich gesinnten Börsen konnte es in der Folge wiederum nur aufwärtsgehen. Schliesslich bewies Oswald Grübel auch bei seinem Abgang bei der UBS am 24. September 2011 perfektes Timing. Sein zockender Händler Kweku Adoboli verursachte der Bank einen Verlust in Milliardenhöhe. Der Kapitän übernahm die Verantwortung – im Wissen, dass er die selbst gesteckten Gewinnziele der Bank nie und nimmer erreichen würde.
Nun ist die Credit Suisse Geschichte. Alfred Escher, der die Bank im Jahre 1856 gegründet hat, dürfte sich im Grab umdrehen. Stolz auf seine Nachfolger, zu denen bekannte Persönlichkeiten wie Rainer Gut, Lukas Mühlemann, Walter Kielholz, Brady Dougan, Urs Rohner, Tidjane Thiam, Thomas Gottstein, Axel Lehmann oder Ulrich Körner gehören und die seine Bank versenkt haben, dürfte er kaum sein. Auch Oswald Grübel ist einer von ihnen – nicht schlechter, aber auch nicht besser als seine Kollegen. Seine Geschichte zeigt aber eines: Wie wenig es als Spitzenbanker braucht, um Heldenstatus zu erlangen.
Pirmin Hotz, Zug