Pro & Contra
Strengere Tierschutzvorschriften? Michael Töngi und Priska Wismer sind geteilter Meinung bei der Massentierhaltungsinitiative

Am 25. September stimmt die Schweiz über die Massentierhaltungs-Initiative ab. Wird die Vorlage angenommen, müssen Landwirte künftig noch strengere Tierschutzvorschriften einhalten. Grünen-Nationalrat Michael Töngi befürwortet die Initiative, Mitte-Nationalrätin Priska Wismer-Felder ist dagegen.

Chiara Stäheli
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Der Grüne Nationalrat Michael Töngi befürwortet die Massentierhaltungsinitiative, Mitte-Nationalrätin Priska Wismer lehnt sie ab.

Der Grüne Nationalrat Michael Töngi befürwortet die Massentierhaltungsinitiative, Mitte-Nationalrätin Priska Wismer lehnt sie ab.

Bilder: keystone und Corinne Glanzmann

PRO: Michael Töngi, Nationalrat Grüne (LU)

Nationalrat Michael Töngi (Grüne/LU).

Nationalrat Michael Töngi (Grüne/LU).

Bild: Keystone

Wenn wir Fleisch- oder Eierwerbung sehen, dann grasen Kühe auf der Weide oder spazieren Hühner durch ein Dorf. Diese idyllischen Bilder haben aber nicht viel mit der Wirklichkeit zu tun: Vor allem in den Bereichen der Schweine- und Hühnerzucht leben viele Tiere in kargen, engen Ställen ohne Auslauf. In Masthühner-Betrieben leben bis zu 27’000 Tiere zusammen - ohne jemals den Himmel zu sehen. Sie haben die Fläche eines A4-Blattes zur Verfügung, und in den letzten Tagen ihres sehr kurzen Lebens sind sie so fett, dass sie kaum noch stehen können. In der Schweinehaltung werden bis zu zehn Schweine auf der Fläche eines Autoparkplatzes gehalten.

Finden Sie diese Zustände «normal» oder gar «vorbildlich», wie die Gegner der Initiative den Tierschutz in der Schweiz bezeichnen? Ich finde nein: Es braucht ein JA zu dieser Initiative, damit eine tierfreundliche Unterbringung und Pflege, der Zugang ins Freie und eine klar reglementierte Gruppengrösse je Stall festgelegt werden. Ja, Nutztiere sind zur Nutzung da und liefern uns Eier, Fleisch oder Milch. Sie sind keine Kuscheltiere, aber auch sie haben ein Anrecht, in ihrer Haltung nicht geschädigt zu werden, und wir sollen diese Tiere so halten, dass sie in ihrer Würde und Leidensfähigkeit geachtet werden.

Die Initiative markiert auch eine heilsame Abkehr von einer Landwirtschaft, die immer weniger mit dem eigenen Boden zu tun hat. Neben der Schweinehaltung hat in den letzten Jahren die Mastpouletproduktion massiv zugenommen. Beide sind stark von ausländischem Futtergetreide abhängig und passen nicht in unsere voralpine Graslandwirtschaft. Sie verursachen grosse Probleme durch einen hohen Überschuss an Gülle und Mist und verbrauchen viel Getreide, das andernorts als Lebensmittel fehlt.

PS: Die Initiative untersagt den Import von Tieren und Tierprodukten, die nicht unseren Produktionsmethoden entsprechen. Die Initiative verhindert damit auch, dass Billigimporte unsere Landwirtschaft konkurrenzieren.

CONTRA: Priska Wismer-Felder, Mitte-Nationalrätin (LU)

Landwirtin und Nationalrätin Priska Wismer-Felder (Mitte/LU).

Landwirtin und Nationalrätin Priska Wismer-Felder (Mitte/LU).

Bild: Keystone

Im September steht eine Abstimmung über die Tierhaltung an. Das Tierschutzgesetz in der Schweiz hat schon heute einen sehr hohen Standard und gilt als das strengste weltweit. Im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern nennt unser geltendes Tierschutzgesetz bereits heute Maximaltierbestände, die nicht überschritten werden dürfen.

Mit der unnötigen Tierhaltungsinitiative will man die Vorschriften im Bereich der Tierhaltung von Bio Suisse aus dem Jahr 2018 für alle Betriebe in die Verfassung schreiben. Das macht aus mehreren Gründen keinen Sinn. Erstens können bereits heute alle Menschen, welche diese Vorschriften richtig und wichtig finden, im Laden die entsprechenden Produkte kaufen. Dieses Produktangebot besteht, wird allerdings nur von einem geringen Teil der Konsumenten genutzt. Zweitens würden die umfassenden Tierhaltungsvorschriften für alle Betriebe gelten und damit auch kleine Betriebe zu Umbauten oder gar zur Betriebsaufgabe zwingen. Die Behauptung, dass nur grosse, tierintensive Betriebe betroffen sind, ist falsch.

Drittens müssten bestehende Ställe vergrössert und mehr Ställe gebaut werden, um den heutigen Selbstversorgungsgrad im Bereich der tierischen Produkte weiterhin erreichen zu können. Dies würde dem Anliegen, nicht noch mehr Landfläche zu verbauen, widersprechen. Natürlich gäbe es noch die Möglichkeit, weniger Lebensmittel bei uns zu produzieren und diese dafür aus dem Ausland zu importieren. Mit einem solchen Verhalten würden wir aber der Ökologie, dem Tierwohl und der Wirtschaft schaden. Viertens ist es absurd, Vorschriften einer privaten Organisation (Bio Suisse) in die Verfassung zu schreiben, die bereits in wenigen Jahren überholt sein werden, dann aber nur durch eine Volksabstimmung verändert werden könnten.

Fazit: Der wirkungsvollste Stimmzettel ist unser Kassenbon. Mit unserem Einkauf beeinflussen wir die Nachfrage und damit die Produktion der entsprechenden Lebensmittel. So können wir schneller und wirksamer handeln als mit jedem Abstimmungszettel.