Die spanische Regierung sorgt immer wieder mit progressiven Gesetzesinitiativen für Aufsehen. Jetzt startet des Ministerium für Gleichberechtigung eine Kampagne gegen Body Shaming. An der Initiative wird aber auch Kritik laut.
Bei hochsommerlichen Temperaturen sind Spaniens Mittelmeerstrände derzeit gut besucht. Man sieht gut gebaute Körper und Muskelpakete in der Sonne schmoren. Aber natürlich auch zu dünne, zu dicke, ältere Menschen oder einfach auch nur Personen mit ganz normalen Figuren.
Dabei haben sich viele Spanier lange auch körperlich auf die Urlaubstage vorbereitet. Die im spanischen Volksmund scherzhaft als «Operación Bikini» bezeichnete Vorbereitungsphase beginnt traditionell spätestens im Mai. Dann rennt halb Spanien plötzlich ins Fitnessstudio, beginnt mit dem Joggen, Diäten und Kuren, um am Strand oder dem Pool eine gute Sommer-Figur zu machen.
Natürlich schaffen das die wenigsten. «Und für viele ist das ein Problem – vor allem ein psychologisches», erklärt die spanische Allgemeinmedizinerin Alejandra López aus der der südspanischen Küstenstädtchen Adra. Auch Adras Strände sind dieser Tage gut besucht. Doch sie habe vor allem viele Patientinnen, die sich aufgrund ihrer nicht perfekten Figuren ungern am Strand im Bikini zeigen, erklärt die Ärztin.
Das Problem scheint gerade unter den Spanierinnen weiter verbreitet zu sein als viele denken. Zumindest startete die spanische Regierung nun eine Kampagne gegen die allgemein gültigen Schönheitsideale. «Der Sommer gehört auch uns» heisst die Kampagne, mit welcher das spanische Ministerium für Gleichberechtigung auf Twitter gegen die Schönheitsstereotypen ankämpfen will.
Auf dem Bild sind neben einer gut gebauten Schönheit auch drei übergewichtige, gut gelaunte junge Frauen sowie eine ältere Dame mit grauen Haaren abgebildet, der nach einer Mastektomie eine Brust fehlt und die trotzdem «oben ohne» den Strandtag geniesst.
«Alle Körper sind gültig und wir haben das Recht, das Leben so zu geniessen, wie wir sind, ohne Schuld oder Scham. Der Sommer ist für alle (Frauen) da!», kommentierte Spaniens linke Gleichberechtigungsministerin Irene Montero auf Twitter den Kampagnenstart. Es gehe nicht nur darum, gegen die Diskriminierung in Zeiten von Online-Körperkultur und Photoshop anzukämpfen, sondern auch gegen die kultur- und gesellschaftsbedingten Selbstzweifel von Frauen «ohne perfekten Körper».
In den vergangenen Monaten sorgte die spanische Linksregierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez mit einer Reihe progressiver Gesetzesinitiativen in Europa für Aussehen. So führt Spanien gerade per Gesetz einen «Menstruations»-Urlaub bei schweren Regelbeschwerden ein, verschärft das Sexualstrafrecht und verbietet sogar sexistische Werbung für Kinderspielzeug.
Wie fast alle der jüngsten feministischen Aktionen der Regierung, wird auch die neue Kampagne gegen Schönheitsstereotypen vehement im Netz debattiert. Es gibt viel Zuspruch, aber auch einige Kritik. Nicht wenige fragen sich auch, ob damit tatsächlich Frauen, die nicht mit ihrem Körper zufrieden sind, animieren lassen, sich am Strand im Bikini zu zeigen. Oder warum nicht auch Männer angesprochen werden. Auch sie würden nicht weniger unter Komplexen leiden.
«Ich halte die Kampagne für gut. Sinnvoller wären aber staatliche Initiativen, die Menschen zu mehr Sport und gesünderer Ernährung animieren, die in Spanien einfach fehlen», meint Allgemeinmedizinerin Alejandra López.